Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückverweisung bei fehlender funktionaler Zuständigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verweist das AG einen Rechtsstreit durch Beschluss gem. § 281 ZPO an das OLG, weil es meint, die Entscheidung des Schiedsgerichts eines Vereins über den Ausschluss eines Mitglieds sei ein Schiedsspruch i.S.v. § 1062 ZPO, so steht der Zurückverweisung nicht die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO entgegen, weil § 281 ZPO nur die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Gerichte, nicht aber die funktionale Zuständigkeit der Gerichte betrifft und die Zuständigkeit der OLG für die Aufhebung von Schiedssprüchen gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine funktionale Zuständigkeit ist.

2. Die Entscheidung des Schiedsgerichts eines Vereins über den Ausschluss eines Mitglieds ist nur dann ein Schiedsspruch i.S.v. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, über dessen Aufhebung das OLG zu entscheiden hat, wenn die Satzung bestimmt, dass die Parteien sich der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterwerfen, d.h. dass die Entscheidung eines Rechtsstreits den staatlichen Gerichten entzogen und Schiedsrichtern übertragen werden soll. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Satzung des Vereins bestimmt, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts das vereinsinterne Verfahren abschließt; denn diese Formulierung beinhaltet, dass sich nunmehr ein Verfahren außerhalb des Vereins, ein vereinsexternes Verfahren anschließt bzw. anschließen kann.

 

Normenkette

ZPO § 281 Abs. 2 S. 4, §§ 1029, 1062 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Plön

 

Tenor

Das Schleswig-Holsteinische OLG erklärt sich für funktional nicht zuständig und verweist den Rechtsstreit an das AG Plön zurück.

 

Gründe

I. Der Kläger hat beim AG Plön beantragt, festzustellen, dass seine Mitgliedschaft bei dem beklagten Verein nicht durch die Entscheidung des Vorstandes vom 11.11.2010, mitgeteilt mit Schreiben vom 12.11.2010, in der Form des Schiedsspruchs vom 26.4.2011 beendet ist, sondern über den 12.11.2010 unverändert fortbesteht. Nachdem der Beklagte geltend gemacht hat, dass Gegenstand der Klage ein Antrag auf Aufhebung eines Schiedsspruchs sei, für den gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Zuständigkeit des OLG gegeben sei, hat der Kläger hilfsweise die Abgabe an das Schleswig-Holsteinische OLG beantragt. Daraufhin hat das AG Plön sich mit Beschluss vom 22.3.2012 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf die Rüge der beklagten Partei und auf Antrag der klagenden Partei gem. § 281 Abs. 1 ZPO an das nach seiner Auffassung gem. § 1062 ZPO sachlich zuständige OLG verwiesen.

II. Das OLG ist für den Streitgegenstand der Klage funktional nicht zuständig, weshalb es an den Verweisungsbeschluss des AG Plön nicht gebunden ist und den Rechtsstreit an das AG Plön zurückverweist. Dem steht nicht die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses gem. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO entgegen, weil § 281 ZPO nur die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Gerichte, nicht aber die funktionale Zuständigkeit der Gerichte betrifft und die Zuständigkeit der OLG für die Aufhebung von Schiedssprüchen gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine funktionale Zuständigkeit ist (OLG Brandenburg OLGReport Brandenburg 2000, 97 = NJW-RR 2001, 645; OLG Köln, Beschl. v. 12.7.2007 - 8 W 59/07 -, zitiert nach juris Rz. 5; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 281 Rz. 15).

Das OLG Brandenburg hat hierzu in der genannten Entscheidung ausgeführt:

"Der in der Zivilprozessordnung nicht definierte Begriff der funktionalen Zuständigkeit betrifft die Abgrenzung der Zuständigkeit nach der Art der Tätigkeit (Rechtspflegefunktion), die das Gericht (Rechtspflegeorgan) entfalten soll (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 1 ZPO Rz. 6). Gemeint sind damit diejenigen Anordnungen des Gesetzes, die bestimmte Geschäfte ihrer Art nach bestimmten Rechtspflegeorganen zuweisen, wie z.B. die Familiensachen dem AG als Familiengericht, Landwirtschaftssachen dem Landwirtschaftsgericht, die erstinstanzlichen Streitsachen dem Eingangsgericht (je nach Rechtsverhältnis und/oder Streitwert dem AG oder LG) usw. Zu den Regeln, die die funktionale Zuständigkeit eines Rechtspflegeorgans bestimmen, werden auch gezählt die Bestimmungen über die Aufgabenverteilung zwischen Rechtspfleger und Richter und sogar die zwischen streitentscheidendem Einzelrichter und Spruchkörper (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 10 ZPO Rz. 4 m.w.N.).

Auf all die Fälle der funktionalen Zuständigkeit ist § 281 ZPO nicht anwendbar. Eine dennoch ausgesprochene "Verweisung" an ein funktional nicht zuständiges Rechtspflegeorgan ist von vornherein unwirksam, weil die Vorschrift es nicht erlaubt, ein an sich nicht funktional zuständiges Rechtspflegeorgan "zuständig" zu machen ... Jedenfalls nach dem neuen, seit 1.1.1998 geltenden Schiedsverfahrensrecht ist die Zuständigkeit des OLG für die im Rahmen eines Schiedsverfahrens vom staatlichen Gericht zu treffenden Entscheidungen eine funktionale. Lediglich die örtliche Zuständigkeit ist besonders geregelt. Das - örtlich ...

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