Entscheidungsstichwort (Thema)

Begrenzung der haftungsrechtlichen Erstattungsfähigkeit von Tierheilbehandlungskosten

 

Leitsatz (amtlich)

Im Gegensatz zu der Verletzung eines Menschen ist bei Tieren die haftungsrechtliche Erstattungsfähigkeit von Heilbehandlungskosten der Höhe nach begrenzt. Trotz emotionaler Verbundenheit des Tierhalters zu seinem verletzten Hund sind jedenfalls Tierarztkosten i.H.v. über 5.000 EUR bei einem Wert des Tieres von 200 EUR unverhältnismäßig i.S.v. § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB.

 

Normenkette

BGB § 251 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Beschluss vom 16.05.2014; Aktenzeichen 4 O 170/13)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des LG vom 16.5.2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (KV Nr. 1812 der Anlage 1 zum GKG).

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

 

Gründe

I. Der Antragsteller beabsichtigt, die Antragsgegner wegen behaupteter tierärztlicher Fehler bei der Behandlung seiner Hündin "M" auf Zahlung der nachfolgend entstandenen Behandlungskosten für das Tier einschließlich angefallener Fahrtkosten (nebst vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren) in Anspruch zu nehmen, hierbei auf Zahlung bereits angefallener Kosten i.H.v. 6.862,41 EUR zzgl. Zinsen und auf Feststellung der Verpflichtung zur Erstattung weiteren absehbaren Schadens insbesondere aufgrund von Behandlungs-, Medikamenten- und Therapiekosten, bemessen nach einem Wert von 5.000 EUR.

Das LG hat mit der angefochtenen Entscheidung die Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht nach § 114 ZPO verneint. Dabei hat es offengelassen, ob ein Behandlungsfehler vorliegt und auch dessen Ursächlichkeit für die Notwendigkeit der nachfolgenden tierärztlichen Behandlung. Denn jedenfalls bestehe ein Schadensersatzanspruch nicht i.H.v. mehr als 5.000 EUR, der die sachliche Zuständigkeit des LG erst begründen würde.

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 20.6.2014 hat das LG dieser mit Beschluss vom 30.6.2014 nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Es liegt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 114 ZPO für eine in den Zuständigkeitsbereich des LG fallende Schadensersatzforderung, mithin in Höhe eines Betrages von über 5.000 EUR, vor. Zwar hat der Antragsteller nach seinem Vortrag bereits erhebliche Tierarzt- und Tierklinikkosten für die Gesundung der Hündin "M" gezahlt, und nach § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB sind Behandlungskosten eines Tieres auch dann ersatzfähig, wenn sie den Vermögenswert des Tieres erheblich übersteigen. Dies gilt aber nicht mehr, wenn die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit überschritten ist. Im Gegensatz zu der Verletzung eines Menschen bleibt die Höhe der Behandlungskosten bei Tieren bei der Frage der Erstattungsfähigkeit nicht gänzlich unbeachtlich (Oetker in MünchKomm/BGB, 6. Aufl. 2012, § 251 Rz. 58).

Es sind bei der Bemessung der Verhältnismäßigkeit neben der Tierart folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

Dem Wert des Hundes kommt hier eine erhebliche Bedeutung zu (OLG München VersR 2011, 1412), dabei z.B., ob der Hund reinrassig ist, Zuchtpapiere besitzt oder eine besondere wertsteigernde Ausbildung durchlaufen hat.

Auch das Alter soll Berücksichtigung finden (OLG München, a.a.O.; a.A. LG Traunstein, Urt. v. 22.3.2007 - 2 O 719/05, Juris: kein Altersabschlag, da dies dem Staatsziel des Tierschutzes widersprechen würde).

Der vor der Pflichtverletzung vorliegende Gesundheitszustand des Tieres ist von Belang (AG Frankfurt/M. NJW-RR 2001, 17; OLG München a.a.O.: Vorerkrankungen mindern den Wert).

Entscheidende Bedeutung - und zwar mehr noch als der Wert des Tieres - hat das immaterielle Interesse des Hundehalters. Es ist also der besonderen Qualität der Beziehung zwischen Mensch (Familie) und Haustier Rechnung zu tragen (Erman/Ebert, BGB, 12. Aufl. 2008, § 251 Rz. 26; a.A. allerdings LG Traunstein, a.a.O., und MünchKomm/Oetker, a.a.O., Rz. 64). Maßgebend ist die möglicherweise sehr enge Bindung zwischen Mensch und Tier, etwa weil der Halter in der Vergangenheit eine besondere Fürsorge für seinen Hund hat entfalten müssen (LG Baden-Baden NJW-RR 1999, 609), weil der Hund ein wichtiger Bezugspunkt und der eigentliche Gefährte des Menschen ist, seine Existenz für den Halter von therapeutischem Wert ist oder gar Kindersatz. Hierbei spielt auch eine Rolle, wie lange der Hund bereits in der Familie lebt (AG Schöneberg NJW-RR 1987, 1316).

Ebenfalls ist von Belang, was der Eigentümer im Sinne eines verständigen Tierhalters in der konkreten Lage ohne die Fremdschädigung für sein Tier aufgewendet hätte (s. Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 251 Rz. 28; AG Idar-Oberstein NJW-RR 1999, 1629: Es ist heute keine Seltenheit mehr, dass Tierhalter hohe Beträge für eine Heilbehandlung aufbringen, so dass dies bei der Bemessung der Verhältnismäßigkeit Berücksichtigung zu finden hat).

Als weiterer Gesic...

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