Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsvollstreckerentlassung wegen Verschweigens eines Nachlassbestandteils. Testamentsvollstreckerentlassung. Grobe Pflichtverletzung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Testamentsauslegung nach § 2084 BGB kann ergeben, dass eine angeordnete Dauervollstreckung über die 30-Jahres-Grenze hinaus - hier bis zum Tod des Vorerben - fortdauern soll (§ 2210 S. 2 BGB).
2. Nimmt ein Testamentsvollstrecker einen wesentlichen Teil des Nachlasses nicht in seine Verwaltung und verschweigt er den Erben die Existenz dieses Vermögen über 25 Jahre, liegt ein wichtiger Grund zu seiner Entlassung i.S.d. § 2227 BGB vor.
Normenkette
BGB §§ 2084, 2106, 2109, 2209-2210, 2227
Verfahrensgang
LG Lübeck (Beschluss vom 14.10.2003; Aktenzeichen 3 T 248/03) |
AG Eutin (Beschluss vom 20.05.2003; Aktenzeichen VI 179/77) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 2. werden die Beschlüsse des AG - Nachlassgericht - Eutin vom 20.5.2003 und des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Lübeck vom 14.10.2003 aufgehoben.
Das AG - Nachlassgericht - wird angewiesen, den Beteiligten zu 3. aus dem Amt des Testamentsvollstreckers über den Nachlass des am 16.6.1977 verstorbenen ... zu entlassen und einen neuen Testamentsvollstrecker zu bestellen.
Der Beteiligte zu 3. hat die den Beteiligten zu 1. und 2. im gesamten Verfahren vor dem Nachlassgericht, dem LG und dem OLG entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Wert des weiteren Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1. und 2. beantragen die Entlassung des Beteiligten zu 3. aus dem Amt des Testamentsvollstreckers.
Der Erblasser verfasste unter dem 30.3.1972 ein handschriftliches Testament. Darin setzte er die Ehefrau (Beteiligte zu 5.), seine Töchter A (1999 verstorben, Ehefrau des Beteiligten zu 3. und Mutter der Beteiligten zu 6. und 7.) und seine Tochter B (Beteiligte zu 4.) je zu ¼ als Erbe ein, seine weitere Tochter C (Beteiligte zu 2.) und seinen Sohn D (Beteiligter zu 1.) jeweils zu 1/8 ein. Weiter heißt es dort:
"Die Erbeinsetzung meiner Tochter C erfolgt als Vorerbin; zu ihren Nacherben bestimme ich meine Töchter A und B. In Sorge um den Gesundheitszustand und die Zukunft meiner Tochter C bestimme ich, dass mein Testamentsvollstrecker ihren Erbteil in ihrem wohlverstandenen Interesse wie das Vermögen eines Mündels verwalten und verwenden soll."
Unter III. des Testaments bestimmte der Antragsteller den Beteiligten zu 3., seinen Schwiegersohn (damals Regierungsdirektor), zum Testamentsvollstrecker. Diesem wurde nach dem Tod des Erblassers am 6.10.1977 ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt. Unter dem 19.10.1977 erteilte das AG einen Erbschein für die Erbengemeinschaft. Unter dem 17.11.1977 übersandte die Ehefrau des Erblassers, die Beteiligte zu 5., dem Nachlassgericht eine Aufstellung, worin eine Nachlassmasse von 590.199 DM (darunter ein Grundstück mit einem Verkehrswert von 100.000 DM, Bankguthaben von 19.490 DM und Wertpapiere mit einem Wert am Todestage von 469.167 DM) angegeben worden ist.
Der Beteiligte zu 3. erfuhr nach seinen Angaben im vorliegenden Verfahren (Bl. 117 d.A.) "etwa im letzten Quartal des Jahres 1977" von einem in der Schweiz befindlichen Depotvermögen des Erblassers, dessen Wert in der vorgenannten Aufstellung der Beteiligten zu 5. nicht enthalten war.
In der Folgezeit verteilte der Beteiligte zu 3. den Nachlass gemäß den testamentarischen Vorgaben, ohne dabei aber das in der Schweiz befindliche Vermögen zu berücksichtigen. Von diesem Depot hatten zwar außer ihm mindestens die Beteiligte zu 5. Kenntnis, jedenfalls aber nicht die Beteiligten zu 1. und 2.
Von dem Vermögen in der Schweiz erfuhren die Beteiligten zu 1. und 2. vielmehr erst im Jahre 2002 aufgrund einer mündlichen Äußerung des Beteiligten zu 3. zunächst ggü. dem Beteiligten zu 1. Mit Schreiben vom 26.10.2002 (Bl. 24 d.A.) informierte der Beteiligte zu 3. die Erben darüber, dass der Wert des in der Schweiz befindlichen Vermögens per 14.10.2002 167.298 EUR ausmache. Er werde nach Tilgung von Verbindlichkeiten des Nachlasses den verbleibenden Bestand auf die Erben deren Anteil entsprechend aufteilen.
Mit Schreiben vom 8.11.2002 hat der Beteiligte zu 1. bei dem Nachlassgericht die Entlassung des Beteiligten zu 3. als Testamentsvollstrecker aus wichtigem Grund beantragt, weil dieser 25 Jahre lang vorhandenes Vermögen den Erben verschwiegen habe, deshalb nicht vertrauenswürdig sei und die Befürchtung bestehe, dass auch andere erhebliche Vermögenswerte verheimlicht oder vielleicht verbraucht worden sein könnten.
Die Beteiligte zu 2. hat am 6.1.2003 - Eingang beim Nachlassgericht - die Anfechtung der Annahme des Testaments sowie zugleich die Ausschlagung der Erbschaft erklärt und den Pflichtteil verlangt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe erst soeben mit Schreiben des eingesetzten Testamentsvollstreckers davon erfahren, dass ein beachtlich hohes Vermögen auf einem Schweizer Konto angelegt gewesen sei. Hätte sie seinerzeit Kenntnis von dies...