Leitsatz (amtlich)
Dem Elternteil, der die Barunterhaltsinteressen des in einem paritätischen Wechselmodell betreuten Kindes verfolgt, steht ein Wahlrecht zu, ob er beim Familiengericht eine Entscheidung nach § 1628 Satz 1 BGB beantragt oder ob er beim Familiengericht auf die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1809 Abs. 1 Satz 1 BGB hinwirkt. Das Wahlrecht zwischen diesen Alternativen steht nicht dem Familiengericht zu, das vielmehr zunächst über einen Antrag nach § 1628 Satz 1 BGB entscheiden muss.
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. vom 06.09.2023 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Plön vom 01.09.2023 unter Zurückweisung der weiter gehenden Beschwerde der Beteiligten zu 2. vom 20.09.2023 geändert und wie folgt gefasst:
Dem Beteiligten zu 1. wird unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge der Beteiligten zu 2. die Entscheidung übertragen, die Verpflichtung der Beteiligten zu 2. zur Zahlung von Unterhalt für ihre Kinder M. und E. durch ein Hauptsacheverfahren durch das Familiengericht regeln zu lassen. Er vertritt die Kinder M. und E. in einem solchen gerichtlichen Hauptsacheverfahren allein.
2. Die Gerichtskosten des Verfahrens werden den Beteiligten zu 1. und 2. je zur Hälfte auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt jeder Beteiligte selbst. Diese Kostenregelung gilt für beide Rechtszüge.
3. Der Verfahrenswert im Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Das Verfahren betrifft die Vertretung von Kindern bei der gerichtlichen Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen bei Getrenntleben der Eltern und Betreuung der Kinder im paritätischem Wechselmodell.
1. Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die seit dem Jahr 2014 getrenntlebenden Eltern der Kinder M. und E. Der Beteiligte zu 1. ist halbtags als angestellter Kameramann beschäftigt. Die Beteiligte zu 2. ist Lehrerin in Teilzeit mit einer Dreiviertelstelle. Aufgrund von Sorgeerklärungen steht den Beteiligten zu 1. und 2. die elterliche Sorge für M. und E. gemeinsam zu. Die Pflege und Erziehung der Kinder erfolgt im "paritätischen Wechselmodell" mit wöchentlichem Wechsel. Der Beteiligte zu 1. forderte die Beteiligte zu 2. mit Schreiben vom 11.05.2021 zur Erteilung einer Auskunft über ihre Einkünfte wegen Kindesunterhalts auf, woraufhin die Beteiligten zu 2. mit Schreiben vom 02.06.2021 einen Zahlungsanspruch zurückwies. Das Familiengericht hat der Beteiligten zu 2. im Verfahren der einstweiligen Anordnung (55 F 60/23) durch Beschluss vom 26.05.2023 aufgegeben, an die Kinder zu Händen des Beteiligten zu 1. monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 50 % des jeweiligen Mindestunterhalts zu zahlen, abzüglich eines Viertels des Kindergeldes. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.05.2023 hatte die Beteiligte zu 2. in diesem Verfahren erklärt, sie komme zu einem "Ausgleichsanspruch" gegen sie in Höhe von 66 Euro.
2. Der Beteiligte zu 1. hat mit Schriftsatz vom 04.04.2023 beantragt, ihm die Befugnis einzuräumen, die Kinder auch im Hauptsacheverfahren gegen die Beteiligte zu 2. wegen rückständigen und laufenden Kindesunterhalts zu vertreten. Es bestehe ein erhebliches Gefälle zwischen seinem Einkommen in Höhe von 1.150 Euro netto monatlich und dem Einkommen der Beteiligten zu 2. in Höhe von 3.200 Euro netto monatlich, sodass diese für die Kinder Barunterhalt zu seinen Händen zahlen müsse.
3. Die Beteiligte zu 2. ist dem Antrag entgegengetreten. Nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen ergebe sich kein Unterhaltsanspruch der Kinder gegen sie. Der Beteiligte zu 1. genüge seiner Erwerbsobliegenheit mit einer Halbtagstätigkeit und einem Einkommen in Höhe von 1.101 Euro netto monatlich nicht. Unterhaltsansprüche ab 05.2021 seien verwirkt. Mit Schriftsatz vom 06.06.2023 hat die Beteiligte zu 2. hilfsweise beantragt, ihr den Teil der elterlichen Sorge allein zu übertragen, der sie berechtigt, die Kinder hinsichtlich laufenden Kindesunterhalts in einem Hauptsacheverfahren zu vertreten. Ganz hilfsweise hat sie beantragt, diesen Teil der elterlichen Sorge einem Ergänzungspfleger zu übertragen.
4. Nach dem Termin zur mündlichen Erörterung vom 16.08.2023 hat das Familiengericht - ohne ausdrückliche Entscheidung über die Anträge der Beteiligten zu 1. und 2. auf gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern - durch den angefochtenen Beschluss eine Ergänzungspflegschaft für die Kinder angeordnet und eine Fachanwältin für Familienrecht zur Ergänzungspflegerin bestimmt. Zur Begründung hat das Familiengericht unter Berufung auf OLG Stuttgart FamRZ 2023, 1204 ausgeführt, ein solches Vorgehen sei gegenüber einer Übertragung der entsprechenden Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil vorzugswürdig. Es handele sich bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Wechselmodell regelmäßig nicht um eine "situative Angelegenheit". Eine Ergänzungspflegerin, zumal eine im Unterhaltsrecht erfahrene Rechtsanwältin, könne die Sach- und Rechtslage mit Blick auf sich ändernde Einkommensverh...