Verfahrensgang
LG Kiel (Beschluss vom 23.01.2006; Aktenzeichen 8 O 76/03) |
Nachgehend
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Kiel vom 23.1.2006 wird auf ihre Kosten nach einem Beschwerdewert von 305,08 EUR zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin steht für seine Tätigkeit im Berufungsverfahren nur eine 1,1 Verfahrensgebühr gem. § 3201 Nr. 1 RVG-VV zu, wie die Rechtspflegerin zutreffend erkannt hat. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte zwar mit Schriftsatz vom 21.5.2005 einen Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten angekündigt. Die Berufungsbegründung erfolgte jedoch erst mit Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 18.8.2005. Damit war der zuvor seitens des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gestellte Sachantrag ohne Kenntnis der Berufungsbegründung weder sachdienlich noch notwendig. Entscheidend ist nämlich, dass ein vor Zustellung der Berufungsbegründung gestellter Zurückweisungsantrag nicht geeignet ist, das Verfahren zu fördern. Denn erst auf der Grundlage der Berufungsanträge und -begründung hätte sich die Klägerin überhaupt mit Inhalt und Umfang des Angriffs gegen das erstinstanzliche Urteil befassen können (BGH v. 3.6.2003 - VIII ZB 19/03, BGHReport 2003, 1115 = MDR 2003, 1140 = NJW 2003, 2992). Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach Eingang der Berufungsbegründung ggü. dem Gericht noch irgendeine Tätigkeit entfaltet, insbesondere einen erneuten Sachantrag gestellt hätte (vgl. OLG München 11 W 1911/05, OLGReport München 2006, 78 vom 18.7.2005). Das ist jedoch nicht geschehen. Der Anfall der vollen Verfahrensgebühr setzt nämlich voraus, dass der Rechtsanwalt in irgendeiner Weise im Rahmen der Erfüllung seines Prozessauftrages ggü. dem Gericht tätig geworden ist. Selbst wenn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Berufungsbegründung geprüft und mit der Klägerin besprochen hätte, was nicht vorgetragen ist, hätte es bei der Gebühr Nr. 3201 Nr. 1 RVG-VV verbleiben müssen. Denn auch diese Tätigkeit ist durch die zugesprochene ermäßigte Verfahrensgebühr abgegolten. Die Klägerin kann somit für diese Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten im Berufungsverfahren nur eine ermäßigte 1,1-Gebühr gem. Nr. 3201 RVG-VV von den Beklagten erstattet verlangen.
Im Übrigen kann der erstattungsrechtlich unbeachtliche Sachantrag, den die Klägerin vor Zustellung der Berufungsbegründung angekündigt hatte, nicht allein durch die spätere prozessuale Entwicklung - Eingang der Berufungsbegründung - die volle Gebühr Nr. 3200 RVG-VV auslösen. Die vom OLG Hamburg (OLG Hamburg v. 25.7.2003 - 8 W 161/03, MDR 2003, 1318) vertretene Gegenmeinung (ebenso für den Fall der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., VV 3200 Rz. 62), wonach die Tatsache, dass der Gegenantrag bereits vor Eingang der Berufungsbegründung gestellt wird, als rein zeitlicher Gesichtspunkt ohne Belang sein soll, überzeugt nicht. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor Zugang der Berufungsbegründung eine Tätigkeit entfaltet hat, die - jedenfalls im kostenrechtlichen Sinne - nicht sachdienlich und nicht notwendig war, und dass er ggü. dem Gericht nach Kenntnisnahme der Berufungsbegründung keine Tätigkeit mehr entfaltet hat. Allein die Zustellung der Berufungsbegründung vermag die kostenrechtliche Bedeutung eines zuvor nicht sachdienlichen und nicht notwendigen Sachantrages ohne erneute, dem Gericht gegenüber erkennbar gewordene Tätigkeit nicht zu ändern.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des BGH vom 9.10.2003 (BGH v. 9.10.2003 - VII ZB 17/03, BGHReport 2004, 69 = NJW 2004, 73 = MDR 2004, 115 = Rpfleger 2004, 123), wonach eine 13/10 Prozessgebühr gem. § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO in voller Höhe erstattungsfähig ist, wenn der Berufungsbeklagte nach Begründung des Rechtsmittels und vor einer Entscheidung des Gerichts über dessen mögliche Zurückweisung durch Beschluss einen Sachantrag gestellt hat. Die genannte Entscheidung befasst sich nämlich nicht mit der hier maßgeblichen Problematik eines Sachantrages vor Zugang der Berufungsbegründung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Der Senat lässt wegen der abweichenden Auffassung des OLG Hamburg zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zu (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
Fundstellen