Leitsatz (amtlich)

Beantragt der Prozessbevollmächtigte des Berufungsbeklagten die Zurückweisung der Berufung, bevor diese begründet worden ist, so ist dem Berufungsbeklagten auch dann nur die ermäßigte Gebühr gem. der Nr. 3201 RVG-VV zu erstatten, wenn das Rechtsmittel anschließend begründet und nach einem Hinweis des Berufungsgerichts zurückgenommen wird, ohne dass der Prozessbevollmächtigte des Berufungsbeklagten dem Berufungsgericht ggü. eine weitere Tätigkeit entfaltet hat.

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 3201

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 23.05.2005; Aktenzeichen 9 O 23456/03)

 

Tenor

I. Unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des LG München I vom 23.5.2005 werden die von der Klägerin an die Beklagte nach dem Beschluss des OLG München vom 18.1.2005 zu erstattenden Kosten auf 847,50 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit 15.2.2005 festgesetzt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Wert der Beschwerde beträgt 374,68 EUR.

IV. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin legte gegen das klageabweisende Endurteil des LG München I vom 27.9.2004 mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 19.10.2004 Berufung ein und kündigte eine fristgerechte Berufungsbegründung an. Die Beklagtenvertreter zeigten mit Schriftsatz vom 5.11.2004 die Vertretung der Beklagten auch im zweiten Rechtszug an und kündigten an, sie würden beantragen, die Berufung kostenfällig zurückzuweisen. Der Klägervertreter begründete die Berufung mit Schriftsatz vom 22.12.2004. Nachdem der 1. Zivilsenat des OLG München mit Beschluss vom 30.12.2004 auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO hingewiesen hatte, nahm die Klägerin die Berufung mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 17.1. 2005, beim OLG München eingegangen am 18.1.2005, zurück. Die Klagepartei wurde daraufhin mit Beschluss des 1. Zivilsenats des OLG München vom 18.1.2005 des eingelegten Rechtsmittels der Berufung gegen das Endurteil des LG München I vom 27.9.2004 für verlustig erklärt. Gleichzeitig wurde angeordnet, dass sie die durch ihre Berufung entstandenen Kosten zu tragen habe. Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss setzte die Rechtspflegerin die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten der Berufungsinstanz antragsgemäß auf 1.222,18 EUR fest, wobei eine 1,6-Verfahrensgebühr für die Berufung anerkannt wurde. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, die eingelegte und begründete Berufung sei zurückgenommen worden, ohne dass der gegnerische Anwalt sich inhaltlich dazu geäußert habe. Es sei deshalb nur eine reduzierte Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 Nr. 1 RVG-VV entstanden, da das Berufungsverfahren vorzeitig beendet worden sei.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO). Das Rechtsmittel erweist sich auch als begründet.

1. Maßgebend für die Entstehung und die Höhe der Gebühren der Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Berufungsverfahren sind die Vorschriften des am 1.7.2004 in Kraft getretenen RVG (§ 61 Abs. 1 S. 2 RVG). Zur Beurteilung der Rechtslage können jedoch die zu den §§ 11, 31, 32 BRAGO ergangenen Entscheidungen herangezogen werden.

2. Entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin steht den Prozessbevollmächtigten der Beklagten für ihre Tätigkeit im Berufungsverfahren nur eine 1,1-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 Nr. 1 RVG-VV zu.

Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten hatten mit Schriftsatz vom 5.11.2004 einen Antrag auf kostenfällige Zurückweisung der Berufung der Klägerin angekündigt. Die Berufungsbegründung erfolgte jedoch erst mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 22.12.2004. Damit war dieser Sachantrag ohne Kenntnis der Berufungsbegründung weder sachdienlich noch notwendig. Die Beklagte kann somit für die Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten im Berufungsverfahren nach der Rechtsprechung des BGH und des Senats unter der Geltung des RVG nur eine ermäßigte 1,1-Gebühr von der Klägerin erstattet verlangen (BGH v. 3.6.2003 - III ZB 19/03, BGHReport 2003, 1115 = MDR 2003, 1140 = NJW 2003, 2992; OLG München JurBüro 1994, 93; JurBüro 2004, 380; s.a. BAG v. 16.7.2003 - 2 AZB 50/02, BAGReport 2004, 28 = NJW 2003, 3796). Mit der "voreiligen" Stellung des Zurückweisungsantrages verstieß die Berufungsbeklagte nämlich gegen die ihr auf Grund des Prozessrechtsverhältnisses obliegende Verpflichtung, die Kosten möglichst gering zu halten (BGH v. 3.6.2003 - VII ZB 19/03, BGHReport 2003, 1115 = MDR 2003, 1140 = NJW 2003, 2992). Erstattungsrechtlich muss sich die Beklagte deshalb so behandeln lassen, als sei der Antrag auf Zurückweisung der Berufung nicht gestellt worden und deshalb nur eine verminderte Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 Nr. 1 RVG-VV angefallen. Ob die volle 1,6-Verfahrensgebühr entstanden ist, ist für die Erstattung seitens der Klägerin gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO unerheblich.

3. Es ist auch ohne Bedeutung, dass sich die zitierte Rec...

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