Leitsatz (amtlich)

Mitverschulden bei Überholen einer stockenden Kolonne mit Warnblinklicht ohne die Gewissheit einer Einscherlücke und Kollision

 

Normenkette

StVG §§ 7, 17-18; StVO § 5 Abs. 4, 4a

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers vom 14.10.2019 gegen das am 12.09.2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Lübeck ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 6.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger beansprucht von der Berufungsbeklagten Schadenersatz aufgrund eines Verkehrsunfalles, der sich am 16.08.2017 gegen 17:17 Uhr auf der B 202 zwischen WS und O. ereignet hat. Der Kläger und der am 17.03.2019 verstorbene Erstbeklagte befuhren mit ihren Fahrzeugen (Kläger: Audi A5; Erstbeklagter: Kleintransporter) die B 202 in Fahrtrichtung O. in einer Fahrzeugkolonne, die sich hinter einem Traktor gebildet hatte. Das Fahrzeug des Klägers befand sich etwa 10 - 12 Fahrzeuge hinter dem Traktor. Zunächst überholten ca. 3 - 6 Fahrzeuge der Reihe nach, die sich unmittelbar hinter dem Traktor befanden. Sodann scherte der Kläger mit eingeschaltetem Warnblinklicht aus der Kolonne aus und beabsichtigte, die noch in der Kolonne vor ihm fahrenden weiteren Fahrzeuge sowie den Traktor links zu überholen. Als sich der Erstbeklagte unmittelbar hinter dem Traktor befand, scherte auch er zum Überholen auf die Gegenfahrbahn aus und kollidierte dabei mit dem klägerischen Fahrzeug.

Die Vollkaskoversicherung des Klägers, die G.-Versicherungs AG, erstattete ihm am 17.12.2018 Reparaturkosten in Höhe von 6.720,77 EUR, weitere 300,00 EUR fielen dem Kläger als Selbstbeteiligung zur Last. Für die Inanspruchnahme der Versicherung entstand dem Kläger ein Prämiennachteil für das Jahr 2019 in Höhe von 200,53 EUR.

Der Kläger beansprucht 100 % des ihm entstandenen Schadens (Ersatz von [Not-] Reparaturkosten nebst Minderwert, Schadenermittlungskosten, Fahrtkosten mit Kilometerkosten von je 1,02 EUR/km, Nutzungsausfall, Verdienstausfall für den mit dem Unfall verbundenen Zeitaufwand sowie Kostenpauschale). Nachdem der Kläger zunächst die Zahlung von 10.152,44 EUR nebst Zinsen und Freihaltung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR beansprucht hatte, hat er mit Schriftsatz vom 01.08.2019 (Bl. 67 GA) die Klage um weitere Schadenersatzpositionen erweitert und hinsichtlich der Zinsen zurückgenommen. Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1) a. an die G.-Versicherungs AG einen Betrag in Höhe von 6.720,77 EUR zu zahlen und

b. an ihn einen Betrag in Höhe von 6.038,92 EUR zu zahlen sowie

2) ihn von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR freizuhalten und

3) festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm den durch die Einschaltung seiner Vollkaskoversicherung entstandenen Prämienverlust auszugleichen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat den Kläger persönlich angehört sowie Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen H. und Z..

Mit dem angefochtenen Urteil vom 12.09.2019 hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die G.-Versicherungs AG 4.704,54 EUR und an den Kläger 2.434,25 EUR zu zahlen sowie den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 612,80 EUR freizustellen und den aus der Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung entstandenen Prämienverlust mit einer Quote von 70 % auszugleichen. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hält das Landgericht eine Haftungsquote von 30 % : 70 % zu Lasten der Beklagten für angemessen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er hält eine Haftung der Beklagten zu 100 % für gerechtfertigt, weil die Betriebsgefahr seines Fahrzeuges bei diesem Sachverhalt vollständig zurücktreten müsse. Auch mit der Bewertung der Höhe einzelner Schadensersatzpositionen ist der Kläger nicht einverstanden.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung weiterer 2.016,23 EUR an die G.-Versicherungs AG und weiterer 3.604,67 EUR an ihn zu verurteilen, sowie

2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Freihaltung des Klägers von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR zu verurteilen und

3. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihm den durch die Einschaltung seiner Vollkaskoversicherung aus dem Schadensfall vom 01.08.2017 auf der B 202 entstandenen Prämienverlust in der Vollkaskoversicherung auszugleichen.

Im Wege der Klagerweiterung beantragt der Kläger ferner, die Beklagten zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

a. auf einen Betrag in Höhe von 10.152,44 EUR seit dem 07.12.2017 zu verurteilen, wobei die Zinsen auf einen Betrag in Höhe von 6.720,...

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