Entscheidungsstichwort (Thema)
Wird der Widerruf eines Testaments widerrufen, entfällt die Wirkung des ersten Widerrufs von Anfang an und gilt das ursprüngliche Testament nicht als neu errichtet, sondern so, als wäre es nie unwirksam gewesen.
Leitsatz (amtlich)
1. § 2077 BGB ist trotz späteren Verlöbnisses oder Eheschließung auch dann nicht auf die Einsetzung des Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft durch Testament anzuwenden, wenn ein Widerruf des Einsetzungstestaments während der Ehe wiederum widerrufen wird.
2. Der Widerruf eines Widerrufstestaments führt wie eine Anfechtung dazu, dass das ursprüngliche Testament rückwirkend wieder in Kraft tritt.
Normenkette
BGB §§ 2077, 2257, 2290, 2299
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 230.000,00 EUR.
Gründe
I. Der Erblasser errichtete am 16.08.1989 ein Testament ..., in dem er die Antragstellerin, mit der er zusammen wohnte, zu seiner Erbin berief. Der Erblasser und die Antragstellerin heirateten am ...1990. Sie waren hälftige Miteigentümer von zwei Eigentumswohnungen in Ro. und in Re. Sie schlossen am 28.12.2005 notariell beurkundet eine Nutzungsvereinbarung zu den Wohnungen (UR-NR. ...7/2005) und einen Erbvertrag (UR-Nr. ...6/2005), in dem sie zunächst alle ihre früheren Verfügungen von Todes wegen widerriefen und wechselseitig Vermächtnisse an ihren hälftigen Miteigentumsanteilen an der vom jeweils anderen Ehegatten genutzten Eigentumswohnung und der jeweiligen Anteile an gemeinsamen Lebensversicherungen vertraglich bindend bestimmten. Weitere Verfügungen von Todes wegen behielten sich beide vor. Die Ehe scheiterte. Antragstellerin und Erblasser schlossen am 10.06.2009 zwei notariell beurkundete Verträge, einen Erbvertrag und eine Scheidungsfolgenvereinbarung.
Die Scheidungsfolgenvereinbarung (UR-Nr. ...4/2009) enthielt unter anderem wechselseitig einen Verzicht auf den Versorgungsausgleich und eine Übertragung des jeweiligen Miteigentumanteils an der nicht selbst genutzten Eigentumswohnung an den diese bewohnenden Ehegatten sowie Aufhebung der Nutzungsvereinbarung von 2005. In § 6 der Vereinbarung ist bestimmt, dass die bis dahin im Besitz der Antragstellerin befindliche Versicherungspolice beim Urkundsnotar zu hinterlegen sei mit der Anweisung, diese der Versicherung zu übersenden, wenn er von beiden Beteiligten dazu angewiesen oder ihm die Sterbeurkunde eines der Beteiligten vorgelegt werde. In der Scheidungsfolgenvereinbarung belehrte der Notar, dass beim Tod eines Ehegatten der Überlebende nur Alleinerbe werde, wenn der Verstorbene dies durch Testament oder Erbvertrag ausdrücklich verfügt habe oder keine Kinder oder sonstigen Verwandten hinterlasse, die neben dem Überlebenden erbberechtigt seien. Die Eheleute erklärten anschließend, dass sie ihren Erbvertrag vom 28.12.2005 in gesonderter Urkunde zu widerrufen und weitere erbrechtliche Regelungen zu treffen beabsichtigen. Schließlich bestimmten sie, dass der Vertrag unabhängig davon gelten solle, ob die Ehe geschieden werde oder nicht.
Im Erbvertrag vom selben Tag (UR-Nr. ...3/2009) nahmen die Eheleute auf ihre Trennung Bezug und erklärten, den Vertrag und die darin enthaltene Aufhebung des früheren Erbvertrags von 2005 unabhängig von der Durchführung eines Scheidungsverfahrens abschließen zu wollen. Er solle "insbesondere auch im Falle einer Scheidung unserer Ehe bestehen bleiben (§ 2077 Abs. 3 BGB)". Danach erklärten sie, dass sie alle ihre bisher gemeinsam errichteten Verfügungen von Todes wegen widerrufen, insbesondere den Erbvertrag von 2005, jedoch ihre bisher einzeln errichteten Verfügungen von Todes wegen ausdrücklich ihre Wirksamkeit behalten sollten. Sie setzten sich wechselseitig mit vertraglicher Bindung ein Vermächtnis an einer gemeinsamen Lebensversicherung aus. Sie erklärten, die Freiheit beider, über ihr Vermögen von Todes wegen zu verfügen, werde im übrigen nicht beschränkt, die Regeln über die gesetzliche Erbfolge seien ihnen bekannt und die getroffenen Bestimmungen sollten unabhängig von der Existenz Pflichtteilsberechtigter bei Eintritt des jeweiligen Erbfalls gelten.
Ende Juni 2009 stellte die Antragstellerin Scheidungsantrag. Die Ehe wurde mit Urteil vom 06.08.2009 geschieden, in dem der Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs genehmigt wurde. Der Erblasser heiratete erneut 2017. Die Ehe mit seiner zweiten Frau wurde 2019 geschieden. Der Erblasser hat keine Abkömmlinge. Er verstarb vor seiner Mutter. Sein Vater ist vorverstorben. Die Beschwerdeführerin ist seine Schwester.
Nach dem Tod des Erblassers haben beide Beteiligte einen Erbscheinsantrag gestellt, die Antragstellerin als Alleinerbin gemäß Verfügung von Todes wegen (dieses Verfahren), die Beschwerdeführerin als gesetzliche Miterbin neben der Mutter des Erblassers. Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Antrag zugleich einen eventuell im Erbvertrag von 2009 liegenden Wider...