Leitsatz (amtlich)

1. In Umgangsverfahren haben die Beteiligten keine Dispositionsbefugnis über den Verfahrensgegenstand. Allein die Erklärung der Beteiligten, das Verfahren als erledigt anzusehen, beendet das Verfahren daher nicht.

2. Ein Umgangsverfahren ist beendet, wenn sich aus den Erklärungen und Beschlüssen des Gerichts entnehmen lässt, dass es einen zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleich billigt und das Verfahren als erledigt ansieht. Eines ausdrücklichen gerichtlichen Beschlusses, durch den der Vergleich gebilligt oder die Erledigung des Umgangsverfahrens festgestellt wird, bedarf es nicht.

 

Normenkette

FamFG §§ 38, 89, 156

 

Verfahrensgang

AG Schwarzenbek (Beschluss vom 25.08.2011; Aktenzeichen 21 F 593/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Schwarzenbek vom 25.8.2011 aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das AG - Familiengericht - Schwarzenbek zurückverwiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die beteiligten Kindeseltern waren nicht miteinander verheiratet. Aus ihrer Beziehung ging das Kind A., geboren am 27.9.2009, hervor. Das Kind lebt bei der Kindesmutter, die die alleinige elterliche Sorge inne hat. Am 18.11.2010 schlossen die Kindeseltern vor dem AG - Familiengericht - Schwarzenbek zum Az. 21 F 861/10 einen Vergleich, in dem sie den Umgang des Kindesvaters mit dem Kind regelten. Das Protokoll der nicht-öffentlichen Verhandlung enthält folgende Ausführungen:

"Sodann schließen die Parteien zur Erledigung des Verfahrens folgenden Vergleich:

1. Die Parteien sind sich darin einig, dass Umgang zwischen dem Kindesvater und A. stattfinden soll.

2. Der Umgang soll dienstags und samstags jeweils von 8.00 - 13.00 Uhr stattfinden. Der Vater holt A. um 8.00 Uhr bei der Kindesmutter ab und bringt sie zu 13.00 Uhr zu ihr zurück.

Es steht im freien Ermessen des Vaters, wie er die Zeit mit A. verbringt.

Falls er sich mit ihr in einer Wohnung aufhält, wird dies seine Wohnung ... sein.

3. Die Parteien sind sich weiter darin einig, dass sie die Erziehungsberatung der Diakonie S., wahrnehmen wollen. Die Parteien werden sich um einen Beratungstermin kümmern.

4. Mit dem Abschluss dieses Vergleichs ist das Verfahren erledigt.

5. Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Vergleichs, werden gegeneinander aufgehoben.

Vorgespielt und genehmigt.

B.u.v.:

1. Der Verfahrenswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt. Der Gegenstandswert des Vergleichs entspricht dem der Hauptsache.

2. Der Kindesmutter wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt V. bewilligt. Die Bewilligung wird auf den Abschluss des Vergleichs erstreckt."

Im vorliegenden, durch Schriftsatz des Kindesvaters vom 30.6.2011 eingeleiteten Verfahren begehrt der Kindesvater eine Ausweitung der Umgangsregelung.

Das Familiengericht hat den Antrag des Kindesvaters nach Anhörung der Beteiligten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass vorliegende Verfahren sei unzulässig, da das vorangegangene Verfahren mit dem Az. 21 F 861/10 noch anhängig sei.

II. Die gem. §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Die Sache war gem. § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens an das AG - Familiengericht - Schwarzenbek zurückzuverweisen.

Der Antrag des Kindesvaters vom 30.6.2011 ist nicht wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig. Das unter dem Az. 21 F 861/10 des AG - Familiengericht - Schwarzenbek geführte Umgangsverfahren ist abgeschlossen.

Ein Umgangsverfahren kann durch Beschluss i.S.v. § 38 FamFG oder gerichtlich gebilligten Vergleich i.S.v. § 156 Abs. 2 FamFG abgeschlossen werden. Ob für die Billigung eines Vergleichs ein gesonderter Beschluss erforderlich ist, wird von der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Der Wortlaut des § 156 Abs. 2 FamFG ist insoweit nicht eindeutig. Während das OLG Nürnberg (FamRZ 2011, 1533) der Ansicht ist, ein Beschluss, in dem eine Umgangsvereinbarung gebilligt werde, habe rein deklaratorischen Charakter, ist der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/6308 Seite 237) und der herrschenden Rechtsprechung (KG BeckRS 2010, 29600; OLG Frankfurt FamRZ 2011, 394; OLG Naumburg, Beschl. v. 10.8.2011 - 3 UF 170/11, zitiert nach juris; BVerfG FamRZ 2011, 957; AG Ludwigslust FamRZ 2010, 488; BGH FamRZ 2005, 1471 zur alten Rechtslage) eher zu entnehmen, dass ein gesonderter Billigungsbeschluss erforderlich ist.

Vorliegend kommt es auf die grundsätzliche Frage, wann ein Umgangsverfahren, in dem die Beteiligten einen Vergleich geschlossen haben, beendet ist, und auf die Frage, ob ein Vergleich durch einen gesonderten Beschluss gebilligt werden muss, nicht an.

Allein die Erklärung der Beteiligten, das Verfahren als erledigt anzusehen, beendete das gerichtliche Verfahren allerdings nicht. In Amtsverfahren wie dem vorliegenden Umgangsverfahren haben die Beteiligten keine Dispositionsbefugn...

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