Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage eines Erbscheins erforderlich bei Einfügung einer Verwirkungsklausel durch späteres privatschriftliches Testament
Leitsatz (amtlich)
1. Liegt neben dem öffentlichen Testament ein eigenhändiges Testament vor, bleibt es bei der Regel des § 35 Abs. 1 S. 1 GBO sofern die Erbfolge nicht ausschließlich auf dem öffentlichen Testament, sondern (auch) auf dem privatschriftlichen Testament beruht. Existiert neben dem öffentlichen Testament ein späteres privatschriftliches Testament, ist neben Widerruf (§§ 2254 -2256 BGB) und Widerspruch zu dem früheren öffentlichen Testament (§ 2258 BGB) auch jede andere Beschwerung mit Bezug zur Erbeinsetzung (etwa Nacherbfolge, Testamentsvollstreckung) zu beachten.
2. Bei Konkurrenz zwischen einem öffentlichen Testament und einer später errichteten privatschriftlichen Verfügung von Todes wegen kann das Grundbuchamt daher regelmäßig bereits dann auf der Vorlage eines Erbscheins bestehen, wenn das eigenhändige Testament nicht offenbar ungültig, widerrufen oder für die Erbfolge bedeutungslos ist.
3. Wird in einem späteren privatschriftlichen Testament eine Verwirkungsklausel eingefügt, ist diese für die Erbfolge von Bedeutung, weil sie geeignet ist, die in der öffentlichen Urkunde getroffene Erbfolgeanordnung zu modifizieren oder zu beseitigen. Eine Verwirkungsklausel führt zum Verlust des Erbrechts für denjenigen oder diejenigen Erben, die gegen die sanktionsbewehrte Verhaltensanordnung verstoßen, sodass die nachträgliche Einfügung einer solchen auflösenden Bedingung für die Erbfolge von Bedeutung ist.
Normenkette
BGB §§ 2254-2256; GBO § 35 Abs. 1 S. 1
Tenor
Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes des Amtsgerichts X vom 04.03.2022 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe
I. Im Grundbuch von U Blatt ... des Amtsgerichts X ist der am ...2017 verstorbene G1 (im Folgenden: Erblasser) in Abteilung I eingetragen.
Der Erblasser setzte durch notarielles Testament vom ...2014 (UR-Nr. ... der Notarin S1 aus Y) seine drei Söhne, die Beteiligten zu 1-3, zu je 1/3 als Erben ein. Durch zwei privatschriftliche Testamente vom ...04.2017 sowie vom ...09.2017 änderte er sein Testament vom ...2014. Während in dem Testament vom ...04.2017 lediglich Änderungen mit Blick auf die Vermächtnisse enthalten waren, beinhaltete das Testament vom ...09.2017 neben einer weiteren Regelung die Vermächtnisse betreffend folgende Änderung zum Testament vom ...2014:
"Dieses Testament habe ich niedergeschrieben in der Erwartung, dass meine Söhne mögliche Meinungsverschiedenheiten einvernehmlich beilegen oder gegebenenfalls den Einigungsvorschlag des Testamentsvollstreckers annehmen. Ein Erbe, der Klage erhebt, hat nur Anspruch auf den Pflichtteil"
Alle drei Testamente wurden vor dem Amtsgericht ... eröffnet.
Zunächst haben die Antragsteller am 02.08.2019 beantragt, die Beteiligten zu 1-3 als Eigentümer in Erbengemeinschaft im Grundbuch einzutragen und unter anderem einen Erbauseinandersetzungsvertrag vom ...2019 (UR-Nr. ... der Notarin S1 aus Y) beigefügt.
Hierauf hat das Grundbuschamt des Amtsgerichts nach weiterem Schriftwechsel mit Zwischenverfügung vom 09.12.2019 aufgegeben, einen Erbschein vorzulegen. Das spätere privatschriftliche Testament sei für die Erbfolge nicht unerheblich.
Daraufhin haben die Antragsteller den Antrag mit Schriftsatz vom 14.04.2020 zurückgenommen und die Eigentumsumschreibung auf die Beteiligten zu 1-3 als Miteigentümer zu je 1/3 beantragt. Unter Ziffer II der beigefügten "Änderung zum Erbauseinandersetzungsvertrag vom ...2019", datierend auf den ...02.2020 (UR-Nr. ... der Notarin S1 aus Y) ist die Übertragung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes durch den Testamentsvollstrecker auf die Beteiligten zu 1-3 zu je 1/3 Miteigentumsanteil geregelt.
Mit Schreiben vom 22.04.2020 hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts darauf hingewiesen, dass die nicht entgeltliche Verfügung des Testamentsvollstreckers der Zustimmung aller Erben bedürfe, hierzu bedürfe es des Erbnachweises, auf die Zwischenverfügung vom 09.12.2020 werde Bezug genommen.
In der Folge haben die Antragsteller mit Schreiben vom 16.03.2021 den Antrag vom 14.04.2021 zurückgenommen und zugleich beantragt, die Beteiligten zu 1-3 als Eigentümer in Erbengemeinschaft einzutragen. Beigefügt war die Vereinbarung vom ...02.2021 (UR-Nr. ... der Notarin S1 aus Y), mit der die Urkunde "Änderung zum Erbauseinandersetzungsvertrag vom ...2019", datierend auf den ...02.2020, wiederum aufgehoben wurde. Gleichzeitig wurde das Grundstück durch den Testamentsvollstrecker freigegeben. Die Notarin solle den zwischenzeitlich gestellten Antrag zurücknehmen und einen Antrag auf Grundbuchberichtigung (Eintragung der Erben als Eigentümer in Erbengemeinschaft) stellen. In der Urkunde enthalten ist eine eidesstattliche Versicherung, die unter anderem die Erklärung beinhaltet, dass keiner der in dem notariellen Testament vom ...2014 (UR-Nr. ... der Notarin S1 aus Y) genannten drei Erben Klage erhoben hat. Die in d...