Entscheidungsstichwort (Thema)
Schmerzensgeldanspruch und Verdienstausfallschaden eines Selbständigen
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn der als Selbständiger tätige Verletzte bereits kurze Zeit nach dem Unfall wieder an seinem Arbeitsplatz erschienen ist, um gegenüber seinen Auftraggebern zu demonstrieren, dass er bereit sei zu arbeiten, kann dem Schädiger dies nicht zugute kommen bzw. den Schmerzensgeldanspruch des Verletzten mindern. Vielmehr sind sowohl die generelle Dauer des Heilungsprozesses nach einer Schulterluxation als auch die üblichen Zeiten der vollständigen bzw. teilweisen Arbeitsunfähigkeit (hier: unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit von zumindest vier Wochen, anschließend eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit wegen Einschränkung der Rotationsfunktion von weiteren mindestens acht Wochen) maßgebend. Ein Schmerzensgeldbetrag von insgesamt 4.000 EUR ist dann angemessen.(Rz. 11)
2. Bei Selbständigen ist aus einem Schnitt mehrerer Jahre das Durchschnittseinkommen zu errechnen.(Rz. 16)
Normenkette
BGB §§ 252-253, 842
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 29.06.2011; Aktenzeichen 6 O 230/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.6.2011 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Lübeck teilweise geändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein (weiteres) Schmerzensgeld i.H.v. 2.500 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 28.4.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger 6/7 und die Beklagten 1/7.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Kläger nimmt die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalles vom 12.8.2008 in Bad Schwartau - die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig - auf materiellen (Verdienstausfall) und immateriellen Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger erlitt bei dem Unfall eine Schulterluxation, die Schulter wurde operativ wieder eingerenkt, sodann ambulant weiterbehandelt.
Der zum Unfallzeitpunkt 60 Jahre alte Kläger ist von Beruf selbständiger Diplom-Maschinenbautechniker, seine Arbeit verrichtet er nahezu vollständig am Betriebssitz seines Auftraggebers - der B. & V. Werft - in Hamburg.
Der Kläger hat behauptet, ihm seien unfallbedingt drei Aufträge entgangen, sein Verdienstausfall belaufe sich auf jedenfalls 12.642,22 EUR; er war der Auffassung, dass von der Beklagten zu 2. gezahlte Schmerzensgeld von 1.500 EUR sei nicht ausreichend, angemessen sei ein Gesamtschmerzensgeld von jedenfalls 6.000 EUR.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil nebst darin enthaltener Verweisungen Bezug genommen.
Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Zur Begründung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt, das vorgerichtlich gezahlte Schmerzensgeld sei angemessen und ausreichend, einen Verdienstausfallschaden habe der Kläger nicht hinreichend substantiiert.
Zweitinstanzlich verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens, wobei er ergänzend behauptet, unter einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden, während die Beklagten unter Verteidigung des angefochtenen Urteils auf Zurückweisung der Berufung antragen.
Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Berufung des Klägers hat nur in geringem Umfange Erfolg.
Der Kläger hat gem. §§ 7, 11 S. 2 StVG, 253 Abs. 2 BGB, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG gegen die gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten einen Schmerzensgeldanspruch von insgesamt 4.000 EUR, so dass ihm noch ein Betrag von 2.500 EUR zuzusprechen ist.
Maßgeblich für die Höhe des Schmerzensgeldes ist nicht allein die erlittene Verletzung, sondern auch die daraus resultierenden Beeinträchtigungen. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. ist die Verletzung des Klägers zwar mittlerweile weitgehend folgenlos ausgeheilt, verblieben ist lediglich eine geringfügige Einschränkung der Rotationsfunktion. Gleichwohl kann bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht außer Betracht bleiben, dass der Kläger nach den sachverständigen Bekundungen "an sich" eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit von zumindest vier Wochen gegeben war, anschließend eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit von weiteren mindestens acht Wochen. Dass der Kläger gleichwohl bereits kurze Zeit nach dem Unfall wieder an seinem Arbeitsplatz erschienen ist, gleichsam um gegenüber seinem Auftraggebern zu demonstrieren, dass er eben bereit sei zu arbeiten, kann den Beklagten nicht zugute kommen bzw. anders herum den Schmerzensgeldanspruch des Klägers mindern. Denn sowohl die generelle Dauer des Heilungsprozesses nach einer Schulterluxation als auch die üblichen Zeiten der vollständigen bzw. teilweisen Arbeitsunfähigkeit, wie sie vom Sachverständigen Dr. M. dargelegt worden sind, ...