Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung der Begriffe "Wohnung" und "Einfamilienhaus" i.S.d. §§ 656a, 656c BGB von dem des "Mehrfamilienhauses"
Leitsatz (amtlich)
Auf einen Vertrag zwischen einem Makler und einem Käufer eines Grundstücks sind die zum 23.12.2020 in Kraft getretenen §§ 656a ff. BGB auch dann anzuwenden, wenn jener Vertrag nach, der mit dem Verkäufer des zu vermakelnden Grund-stücks geschlossene Vertrag allerdings vor dem Stichtag geschlossen worden ist.
Die Abgrenzung der Begriffe "Wohnung" oder "Einfamilienhaus" i.S.d. §§ 656a, 656c BGB von einem Mehrfamilienhaus bemisst sich aus Sicht ex ante im Zeitpunkt des Abschlusses des Maklervertrages und nach objektiven Kriterien. Nur eine solche Auslegung vermeidet Wertungswidersprüche und trägt den Bedürfnissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit Rechnung.
Normenkette
BGB §§ 656, 656b, 656c; EGBGB Art. 229 § 53
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 23. März 2023, Az. 6 O 249/22, wie folgt abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 29.750,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 12. November 2021 zu zahlen.
Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 29.750,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegenüber den Beklagten Forderungen aus Maklerverträgen geltend.
Die Klägerin schloss mit dem damaligen Eigentümer eines ungeteilten Zweifamilienhauses am 9. Juli 2020 einen Maklervertrag, demzufolge sie nach einem Käufer für das Haus mit zwei getrennten, etwa gleich großen Wohneinheiten in der X-straße 50 in Y suchen sollte. Für den Auftraggeber sollten keine Kosten und keine Courtage anfallen. Die Beklagten kontaktierten die Klägerin aufgrund eines Inserates über das Haus und schlossen im Frühjahr 2021 jeweils mit ihr einen Maklervertrag ab, in dem sie sich verpflichteten, im Falle des Abschlusses eines Kaufvertrages an die Klägerin eine Courtage in Höhe von 2,975 % (inkl. Mehrwertsteuer) des Kaufpreises zu zahlen. Am 11. Juni 2021 erwarben die Beklagten und ihre jeweiligen Partner als Käufer I und Käufer II das Objekt im Rahmen eines "Kaufvertrages über Wohnungseigentumsrechte". In § 1 Nr. 3 Satz 1 jenes Vertrages heißt es, das Grundstück sei mit einem Zweifamilienhaus bebaut. Der Vertrag stand gemäß § 1 Nr. 4 unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Verkäufer das Zweifamilienhaus in Wohnungseigentum aufteile. Es wurde ein Kaufpreis in Höhe von 1.040.000,00 EUR vereinbart, wobei dieser sich dergestalt aufteilte, dass Käufer I und Käufer II jeweils für eine Wohnung 520.000,00 EUR zahlen sollten (§ 2 Nr. 1 Satz 1 und 2). Unter § 12 des Kaufvertrages wurde zugunsten der Klägerin eine Maklerklausel aufgenommen.
In der Folgezeit wurde das Zweifamilienhaus wie beabsichtigt geteilt.
Auf die entsprechenden Rechnungen der Klägerin lehnten die Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 11. November 2021 die Zahlung einer Courtage unter Hinweis darauf ab, dass sie kein Mehrfamilienhaus, sondern zwei voneinander getrennte Eigentumswohnungen erworben hätten. Mangels hälftiger Teilung der Provision zwischen Verkäufer- und Käuferseite seien die Maklerverträge unwirksam, § 656c BGB.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 29.750,00 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 12. November 2021 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht, auf dessen Urteil hinsichtlich der weiteren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Die Maklerverträge seien unwirksam nach § 656c Abs. 2 Satz 1 BGB, da Vermittlungsgegenstand jeweils eine Wohnung i.S.d. § 656c Abs. 1 BGB gewesen sei. Bei Abschluss des Maklervertrages habe es sich bei dem Anwesen zwar um ein Zweifamilienhaus gehandelt, der Kaufvertrag sei aber erst wirksam geworden, als das Zweifamilienhaus in Wohnungseigentum aufgeteilt worden war. Abzustellen sei auf den Erwerbszweck der Käufer, die gerade kein Mehrfamilienhaus, sondern jeweils eine eigenständige Wohneinheit hätten erwerben wollen. Der Maklervertrag unterfalle daher dem Anwendungsbereich des § 656c BGB. Es liege ein Verstoß gegen den darin normierten Halbteilungsgrundsatz vor, der dazu führe, dass der Klägerin kein Courtageanspruch zustehe.
Mit der Berufung rügt die Klägerin zunächst, die Kammer sei fälschlicherweise von der Anwendbarkeit des neuen Rechts ausgegangen; dieses gelte nur, wenn beide (Makler-)Ve...