Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuwendung "causa societatis" an stille Gesellschafter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Leistungen "causa societatis" steht die Stärkung der Gesellschaft im Vordergrund. Dieses Ziel kann auch durch freiwillige Zuwendungen der Gesellschaft an die Gesellschafter angestrebt werden, weshalb die diesbezüglichen Grundsätze auch in einem solchen Fall Anwendung finden.

2. Die Grundsätze der "causa societatis" greifen auch dann ein, wenn es um freiwillige Leistungen der Gesellschaft an stille Gesellschafter geht, wodurch die stillen Teilhaber motiviert werden sollen, nicht aus wichtigem Grund zu kündigen bzw. durch Stillhalten am Erhalt der Reputation der Gesellschaft im Markt mitzuwirken

 

Normenkette

AktG § 295 Abs. 1, § 301

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 16.04.2010; Aktenzeichen 14 O 110/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.4.2010 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen I des LG Kiel wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt Zahlung einer von der Beklagten zugesagten Sonderzahlung für das Geschäftsjahr 2008 i.H.v. insgesamt 3.827.500 EUR.

Die Klägerin schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Landesbank Schleswig-Holstein Girozentrale, am 24.7./4.8.2000 einen Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft, nach dessen Inhalt (§ 1 Abs. 1) sie sich mit einer Einlage von 25 Millionen EUR als typischer stiller Gesellschafter am Handelsgewerbe der Bank beteiligte. Gemäß § 2 Abs. 1a) des Vertrages sollte die Klägerin - vorbehaltlich der Regelung in Abs. 5 - auf ihre Einlage für jedes Geschäftsjahr eine Vergütung von 7,65 % p. a. erhalten. Gemäß § 2 Abs. 5 sollte der Anspruch auf die Gewinnbeteiligung entfallen, wenn und soweit durch die Gewinnbeteiligung ein Jahresfehlbetrag entstehen oder erhöht werden würde. An einem Jahresfehlbetrag sollte die stille Einlage zudem anteilig teilnehmen (§ 3 Abs. 1 des Vertrages). Einen gleichlautenden Vertrag über eine weitere Einlage i.H.v. 25 Millionen EUR schlossen die Vertragsparteien am 25./31.5.2001. Wegen aller weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird auf das Anlagenkonvolut K 1 Bezug genommen.

Nachdem sich im Zuge der Finanzmarktkrise 2008 abzeichnete, dass die Beklagte für dieses Jahr einen erheblichen Jahresfehlbetrag ausweisen würde, fand am 19.12.2008 eine außerordentliche Hauptversammlung statt, in der das stimmberechtigte Kapital vollständig vom Versammlungsleiter, Herrn Rainer Lehr, vertreten war. Einziger Tagesordnungspunkt war die Beschlussfassung über eine Ermächtigung des Vorstandes zur Leistung einer Sonderzahlung 2008 an ausgewählte stille Gesellschafter sowie zum Abschluss von Änderungsverträgen zu bestehenden Verträgen über die Errichtung bzw. Begründung von stillen Gesellschaften. Der Vorsitzende der Hauptversammlung erläuterte, dass die Beklagte zur Refinanzierung stille Einlagen hereingenommen habe, und zwar im Wege des Abschlusses von "Verträgen zur Errichtung bzw. Begründung stiller Gesellschaften". Eine Vielzahl dieser Teilgewinnabführungsverträge seien mit Sparkassen, Landesbanken und Versicherungen abgeschlossen und enthielten eine Klausel, wonach die Gesellschaft für Geschäftsjahre, in denen sie einen Jahresfehlbetrag ausweise, keine Vergütung an den jeweiligen stillen Gesellschafter zu erbringen habe. Da die Bank für das Geschäftsjahr 2008 vermutlich einen Jahresfehlbetrag ausweisen werde, sei sie somit vertraglich nicht zur Zahlung einer Gewinnbeteiligung für das Geschäftsjahr 2008 verpflichtet. Ein Ausfall der Bedienung hätte aber für die Gesellschaft nicht nur einen erheblichen Reputationsverlust zur Folge, sondern angesichts der aktuellen Finanzmarktkrise und des eingetretenen Vertrauensverlustes in das Finanzmarktsystem könnte dieser unmittelbar existenzbedrohende Bedeutung haben. Da die Bank 95 % des langfristigen Refinanzierungsvolumens im Geschäftsjahr 2008 im Inland aufgenommen habe, rund 31 % von Sparkassen und 17 % von Versicherungen, seien diese als Refinanzierungspartner unverzichtbar. Ein Ausfall der Bedienung 2008 würde nicht nur das Rating verschlechtern, sondern die Bank möglicherweise an den Rand der Zahlungsunfähigkeit bringen. Deshalb sollten die stillen Gesellschafter nach Abwägung aller Umstände und in Kenntnis der Teilgewinnabführungsverträge auch für das Geschäftsjahr 2008 für den Fall bedient werden, dass die Bank einen Jahresfehlbetrag ausweise. Dafür sei ein Betrag von bis zu 64 Millionen EUR aufzuwenden. Dieser Betrag sei darstellbar, ohne das Grundkapital der Bank anzugreifen und ohne die wirtschaftliche Existenz der Bank oder die Erfüllung sonstiger Verpflichtungen zu gef...

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