Entscheidungsstichwort (Thema)
Eintragung erfolgter Restschuldbefreiung in Datenbanken von Auskunfteien über die Löschungsfrist für das Insolvenzbekanntmachungsportal hinaus
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Interesse an der Verarbeitung an aus dem Insolvenzbekanntmachungsportal entnommenen Daten ist nur dann "berechtigt" im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO, wenn es im Einklang mit der Rechtsordnung steht und daher nicht dem Rechtsgedanken von § 3 Abs. 2 InsoBekV widerspricht.
2. Solange der Gesetzgeber für Auskunfteien keine abweichende Regelung für die Speicherfristen der Informationen über eine zur Restschuldbefreiung getroffen hat, haben Auskunfteien die Löschungsfristen in § 3 Abs. 2 InsoBekV zu beachten.
3. Betroffene haben nach Löschung der Informationen aus dem Insolvenzbekanntmachungsportal einen Löschungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 lit. d) DSGVO gegen Auskunfteien, sofern diese die Informationen weiter verarbeiten.
Normenkette
BDSG § 29 aF; EUV 2016/679 § 6 Abs. 1 Buchst. f., § 17 Abs. 1 Buchst. d; InsoBekV § 3
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 12. Februar 2021 dahin abgeändert, dass das Versäumnisurteil vom 17. September 2020 aufgehoben und die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt wird,
a) den in ihrer Datenbank enthaltenen Eintrag über den Kläger mit folgendem Wortlaut:
3. Restschuldbefreiung erteilt
Diese Information stammt aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte. Zu diesem Insolvenzverfahren wurde uns die Erteilung der Restschuldbefreiung mitgeteilt.
Aktenzeichen: ...
Datum des Ereignisses: ...
zu löschen;
b) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von höchstens 25.000,00 Euro oder für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken gegen eines der Mitglieder des Vorstandes der Beklagten, zu unterlassen, den unter Ziffer 1. des Tenors genannten Eintrag erneut zu speichern;
c) an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 887,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. März 2020 zu zahlen.
2. Die Kosten beider Rechtszüge trägt die Beklagte mit Ausnahme der aufgrund der Säumnis des Klägers erstinstanzlich entstandenen Kosten, die dem Kläger zur Last fallen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 150,00 vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Löschung personenbezogener Daten aus der Datenbank der Beklagten.
Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft und betreibt ein Bonitätsinformationssystem, welches auf der Sammlung, Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe von Wirtschaftsdaten natürlicher und juristischer Personen aufbaut. Diese Daten sollen insbesondere Kreditgeber vor Verlusten im Kreditgeschäft mit potentiellen Kreditnehmern schützen.
Der Kläger beantragte nach einer gescheiterten Selbstständigkeit im September 2013 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Privatvermögen. Das Insolvenzverfahren wurde durchgeführt und dem Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom ... die Restschuldbefreiung erteilt. Diese Information wurde auf dem zentralen und länderübergreifenden Internetportal www.insolvenzbekanntmachungen.de veröffentlicht und von dort von der Beklagten erhoben. Die Beklagte speicherte mit Datum vom 10. Oktober 2019 die Information über die Erteilung der Restschuldbefreiung in ihrer Datenbank, um sie im Falle einer Anfrage zum Kläger einem Dritten mitzuteilen.
Der Kläger erlangte von der Beklagten eine Selbstauskunft vom 21. Oktober 2019. Mit Schreiben vom 27. November 2019 (Anlage K4) forderte sein Prozessbevollmächtigter die Beklagte zur Löschung des Eintrags auf. Die Beklagte verweigerte dies mit Schreiben vom 19. Dezember 2019 (Anlage K5).
Auf eine Wohnungsanfrage des Klägers erhielt er von einem Vermieter am 22. Oktober 2020 (Anlage K11, Bl. 421 d.A.) die Antwort, dass man ihm keine Wohnung vermieten könne, da "Ihre Schufa" gesperrt sei.
Der Kläger hat behauptet, die Speicherung der Restschuldbefreiung im Datenbestand der Beklagten führe bei ihm zu erheblichen wirtschaftlichen und finanziellen Nachteilen. Eine uneingeschränkte Teilhabe am Wirtschaftsleben sei ihm nicht möglich. Der Kläger könne aufgrund des Eintrags kein Darlehen aufnehmen, keinen Mietkauf tätigen und keine Wohnung anmieten. Derzeit könne er nicht einmal ein Bankkonto eröffnen. Der Kläger ist der Auffassung gewesen, der Eintrag sei aufgrund seines Widerspruchs zu löschen
Der Kläger hatte mit seiner Klage zunächst beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, den in ihrer Datenbank enthaltenen Negativeintrag über den Kläger mit folgendem Wortlaut:
3. Restschuldbefreiung erteilt
Diese Information stammt aus den Ve...