Entscheidungsstichwort (Thema)
Eintragung eines aufgehobenen Insolvenzverfahrens (Planinsolvenz) in Datenbanken über die Löschungsfrist für das Insolvenzbekanntmachungsportal hinaus
Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat hält in Fortführung seiner im Senatsurteil vom 2. Juli 2021 (17 U 15/21) begründeten Auffassung daran fest, dass die Zulässigkeit der Erhebung und Verarbeitung von Daten über ein Insolvenzverfahren aus dem unter www.insolvenzbekanntmachungen.de geführten Insolvenzregister allein anhand des sich aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO ergebenden Maßstabes zu beantworten ist.
2. Die Prüfung, ob eine Datenverarbeitung "zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich" ist, erfordert eine möglichst konkrete Abwägung der berührten Belange des Betroffenen einerseits und des Verantwortlichen oder Dritter andererseits. Je abstrakter ein Abwägungsvorgang ausfällt, desto überragender müssen die Interessen an der Datenverarbeitung ausfallen, um den Eingriff in Grundrechte des Betroffenen zu rechtfertigen. Dies gilt umso mehr, wenn Daten ohne konkreten Anlass und damit gewissermaßen "auf Vorrat" erhoben werden.
3. Die in § 3 Abs. 1 und 2 InsoBekV normierte Löschungsfrist für die Speicherung von Insolvenzbekanntmachungen von sechs Monaten nach Aufhebung oder Einstellung eines Insolvenzverfahrens bzw. Rechtskraft einer Restschuldbefreiung ist auf die nach Art. 6 Abs. 1 lit. f. DSGVO zu beurteilende Speicherung von Daten durch Wirtschaftsauskunfteien - vorliegend die SCHUFA - weder unmittelbar noch analog anzuwenden (Klarstellung zum Senatsurteil vom 2. Juli 2021). Allerdings ist damit die Anwendung des § 3 InsoBekV als Abwägungsmodell auch im Rahmen der nach Art. 6 Abs. 1 lit. f. DSGVO vorzunehmenden Abwägung nicht ausgeschlossen. Insoweit ist auch zu bedenken, dass § 3 InsoBekV seinerseits europäisches Insolvenzrecht konkretisiert.
4. Demgegenüber kommt den "Verhaltensregeln für die Prüf- und Löschungsfristen von personenbezogenen Daten durch die Wirtschaftsauskunfteien vom 25.05.2018" über die Vereinbarung einer abgestimmten Verhaltensweise hinaus kein normativer Gehalt zu Insbesondere lässt sich diesen und auch der bisher bekannten Praxis jedenfalls der Auskunftei SCHUFA nicht entnehmen, dass und ggf. welche Kriterien für hinreichend konkrete Abwägungen existieren und ob Beauskunftungen überhaupt ein hinreichend konkreter Abwägungsvorgang zugrunde liegt.
5. Vor diesem Hintergrund bleibt der Senat dabei, dass - vorbehaltlich gesetzlicher Regelung - jedenfalls nach Verstreichen eines § 3 InsoBekV entsprechenden Sechsmonats-Zeitraums eine weitere Speicherung und Verarbeitung von aus dem Insolvenzbekanntmachungsportal gewonnenen Daten regelmäßig nicht mehr zulässig ist.
Normenkette
BDSG § 29; EUV 2016/679 Art. 6, 17; InsoBekV § 3
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 17. Dezember 2021 - Aktenzeichen 10 O 127/21 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, die in ihrem elektronischen Datenbestand gespeicherten Informationen zum Kläger,
"Insolvenzverfahren aufgehoben. Aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte stammt die Information, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt wurde. Das Verfahren wurde aufgehoben (beendet). Aktenzeichen [...]. Das zuständige Amtsgericht führt den Vorgang unter diesem Aktenzeichen. Datum des Ereignisses: 25.03.2020. Datum der Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch das zuständige Amtsgericht.",
zu löschen und den Score-Wert des Klägers künftig in der Weise zu berechnen, dass keine Informationen zu dem vorgenannten Insolvenzverfahren des Klägers berücksichtigt werden.
Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 150,00 vorläufig vollstreckbar.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Löschung personenbezogener Daten aus der Datenbank der Beklagten.
Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft und betreibt ein Bonitätsinformationssystem, welches auf der Sammlung, Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe von Wirtschaftsdaten natürlicher und juristischer Personen aufbaut. Diese Daten sollen insbesondere Kreditgeber vor Verlusten im Kreditgeschäft mit potentiellen Kreditnehmern schützen. Bei Auskünften über potentielle Vertragspartner ihrer Kunden bildet die Beklagte für diese Vertragspartner aufgrund der über sie gespeicherten Daten einen Score-Wert, der etwas über die Bonität aussagen soll.
Der Kläger ist als selbständiger Unternehmer im Stahlrohrhandel tätig und betreibt als Inhaber unter der Firma D. ein Einzelunternehmen. Zudem ist er nebenberuflich als Handelsvertreter tätig.
Über das Vermögen des Klägers wurde in der Vergangenheit ein Insolvenzverfahren eröffnet. Durch Beschluss des Amtsgerichts N. vom 25. März 2020 zum Aktenzeichen [...] (Anlage K13, Anlagenband) wurde das Insolvenzverfahren gemäß § 258 InsO (Planinsolvenz) aufgehoben. Diese Information wurde a...