Leitsatz (amtlich)
1) Im Rahmen seiner allgemeinen Betreuungspflicht ist der Notar nur bei Vorliegen besonderer Umstände zur Belehrung und Warnung – unter Beachtung der Wahrung der Neutralität – verpflichtet. Haben die Vertragsparteien vor der Beurkundung über den abzuschließenden Vertrag Einigung erzielt, liegt es grundsätzlich im Ermessen des Notars, ob und inwieweit er weitere Belehrungen erteilt oder unterläßt.
2) Bei einem Verkauf nicht baureifer Ackerflächen an einen Erschließungsunternehmer, der sich gegenüber einer Gemeinde zur Durchführung der Erschließung entschlossen hat, löst eine Vertragsgestaltung, die den Besitz- und Nutzungsübergang auf den Käufer (lange) vor der Fälligkeit der Kaufpreiszahlung auf das Anderkonto des Notars vorsieht, auch im Hinblick auf das „Leitbild” des § 452 BGB keine Belehrungspflicht des Notars aus.
3) Eine Verletzung der Belehrungspflicht ist nur dann kausal für den geltend gemachten Schaden, wenn der Vertrag bei Durchführung der Belehrung so, wie sie der Notar zu erteilen gehabt hätte, mit einem anderen Inhalt zustandegekommen wäre und der Schaden dadurch vermieden worden wäre. Dafür muß zumindest eine begründete Wahrscheinlichkeit festzustellen sein.
Orientierungssatz
Belehrungspflichten des Notars im Rahmen des § 452 BGB
Normenkette
BGB § 452; BeurkG § 17 Abs. 1; BNotO § 14 Abs. 1, § 19 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 18.12.1999; Aktenzeichen 12 O 241/97) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck – Einzelrichter der 12. Zivilkammer – vom 18. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsrechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer beträgt 4.000 DM.
Tatbestand
Die Kläger verlangen vom beklagten Notar Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung. Sie waren Eigentümer des ca. 6,6 ha großen, bislang landwirtschaftlich genutzten Grundstücks Flurstück 43 der Flur 1 der Gemarkung in der Gemeinde Dorf. Eine Teilfläche des Grundstücks lag im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 2 b „Rotentor II” der Gemeinde.
Am 5. Juli 1994 beurkundete der Beklagte einen Erschließungsvertrag zwischen der Fa. D. und der Gemeinde. Danach sollte die Erschließung des im Bebauungsplan gelegenen Geländes bis Ende 1994 erfolgen. Einen Kaufvertrag über ein „noch zu vermessendes Teilstück von einer Größe von etwa 42 000 m²” zwischen der Fa. D. und den Kläger beurkundete der Beklagte ebenfalls am 5. Juli 1994. Der Vertrag enthält u. a. folgende Bestimmungen:
§ 2 Kaufpreis
Der Kaufpreis beträgt 18 DM pro Quadratmeter. Er ist vom Ergebnis der kartasteramtlichen Vermessung abhängig…. Der Käufer hinterlegt den Kaufpreis auf einem Notar anderkonto des beurkundenden Notars binnen 14 Tagen nach Zugang der schriftlichen Mitteilung des Notars, daß ihm sämtliche für die Durchführung dieses Vertrages erforderlichen Unterlagen vorliegen, ausgenommen die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes. Beide Parteien weisen den Notar unwiderruflich an, den Kaufpreis zzgl. Zinsen…an den Verkäufer auszuzahlen, sobald die Umschrift des Kaufgegenstandes im Grundbuch auf den Käufer….mitgeteilt worden ist….
§ 5 Übergabe, Verrechnung und Gefahrenübergang
Als Stichtag …. für den Übergang des Besitzes und der Gefahr des zufälligen Untergangs… des Kaufgegenstandes wird der 01.10.1994 vereinbart. …”
Am 26. Juni 1995 beurkundete der Beklagte eine Änderung des vorgenannten Vertrages, wonach ein inzwischen vermessenes Teilstück in einer Größe von 45 785 m² für 18 DM/m² (insgesamt 824.130 DM) verkauft wurde; im übrigen blieb es bei den Bestimmungen des Vertrages vom 5. Juli 1994.
Nachdem der Beklagte der Käuferin am 27. März 1996 mitgeteilt hatte, daß alle zur Vertragsdurchführung erforderlichen Unterlagen vorlägen, zahlte diese den Kaufpreis, der dem Anderkonto am 15. April 1996 gutgeschrieben wurde. Nach Grundbucheintragung der Käuferin wurde der Kaufpreis an die Kläger ausgezahlt.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 1996 forderten die Kläger den Beklagten zur Zahlung eines „Zinsschadens” auf.
Mit ihrer Klage haben sie – zunächst – 40.694,31 DM und – nach teilweiser Rücknahme der Klage – 38.892,81 DM Schadensersatz verlangt; dieser Betrag errechnet sich auf der Grundlage des Kaufpreises von 824.830 DM und der Annahme, daß dieser, wäre er in dem Zeitraum vom 1. Oktober 1994 bis 15. April 1996 mit 3 % Zinsen als Festgeld angelegt worden, Zinsgewinne in Höhe von 37.864,82 DM erbracht hätte. Weiter habe der Beklagte Anwaltskosten in Höhe von 1.027,99 DM zu ersetzen.
Die Kläger haben die Ansicht vertreten, der Beklagte habe im Zusammenhang mit der Beurkundung des Vertrages vom 5. Juli 1994 seine Beratungspflichten verletzt. Sie seien vom Beklagten weder darüber belehrt worden, daß wegen der erforderlichen Vermessung des Grundstücks erhebliche Zeit in Anspruch genommen werden würde, noch darüber, daß sie eine ungesicherte Vorleistung erbrächten, wenn sie der Käuferin die Nutzung des Kaufgegenstandes ermöglichten, bevor der Kaufpreis hinterlegt sei. Der...