Leitsatz (amtlich)
Die Gestaltung eines Kaufvertrages, wonach der Käufer den Kaufpreis auf das Anderkonto des Notars erst zahlen soll, wenn der Verkäufer die auf dem Grundstück lastenden Grundschulden abgelöst hat und eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist, birgt erhebliche wirtschaftliche und rechtliche Risiken, über die der beurkundende Notar eingehend zu belehren hat.
Orientierungssatz
Belehrungspflicht des Notars bei Kollision von Fälligkeits- und Auflassungsklausuren
Normenkette
BNotO § 19; BeurkG § 17; BGB § 326
Beteiligte
Rechtsanwälte Reiche, Berlage und Dr. Ahrens |
Rechtsanwälte Dr. Elsner, Zarnekow, Soblik, Dr. Wolter, Rüping und Dr. Hansen |
Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 25.05.1998; Aktenzeichen 9 O 556/96) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Kiel – 9. Zivilkammer – vom 25. Mai 1998 geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 100.000 DM zuzüglich 9,5 % Zinsen seit dem 01. September 1995 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 165.000 DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert der Beschwer beträgt 100.000 DM.
Tatbestand
Der Kläger nimmt den beklagten Notar auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung in Anspruch.
Nach vorangegangenen Vertragsverhandlungen verkaufte der Kläger der Firma H ein Wohn- und Geschäftshaus in N. Bei den Verkaufsverhandlungen war ein Makler beteiligt, der auch eine Mieterliste vorlegte, aus der Kündigungen ersichtlich waren. Ein Entwurf des Grundstückskaufvertrages lag den Vertragsparteien vor.
Am 22. Dezember 1993 beurkundete der Beklagte den Kaufvertrag. Darin war ein Kaufpreis in Höhe von 6.792.050 DM vereinbart. In Abteilung III des Grundbuches eingetragene Grundschulden in Höhe von insgesamt 5.886.400 DM waren vom Verkäufer zu löschen; weiter heißt es im Kaufvertrag:
„§ 2 |
2.2 |
Der Kaufpreis ist zahlbar auf ein …..Anderkonto des Notars, 2 Wochen, nachdem der Verkäufer nachgewiesen hat, dass er als Eigentümer des Kaufgegenstandes im Grundbuch eingetragen und Abt. III des Grundbuchs lastenfrei ist, und eine Auflassungsvormerkung für den Käufer im Grundbuch eingetragen ist…. |
2.6 |
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Verkäufer ist verpflichtet, die zur Eintragung vom Grundpfandrechten bis zur Höhe von 9.500.000 DM…..erforderlichen dinglichen Erklärungen….abzugeben. Der diese Grundpfandrechte beurkundende Notar wird unwiderruflich angewiesen, solche Grundpfandrechte erst eintragen zu lassen…., wenn der jeweilige Grundpfandgläubiger ihm schriftlich bestätigt hat, dass die Darlehensvaluta ausschließlich zur Zahlung des Kaufpreises verwendet wird und eine andere Zweckbestimmung vorher nicht erfolgt. |
§ 3.8 |
Bezüglich der bestehenden Mietverhältnisse wird vereinbart |
3.8.1 |
diese sind bekannt und werden vom Käufer übernommen. Dem Käufer wurden Kopien sämtlicher Miet- und Pachtverträge übergeben. Eine Liste der Mieter bzw. Pächter wurde als Anlage zu diesem Vertrag genommen. |
§ 4 |
4.1 |
Der Tag der Übergabe ist der Tag der Beurkundung…. |
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4.2 |
Am Übergabetag gehen Gefahr, Nutzungen und Lasten ….auf den Käufer über. |
§ 7 |
7.1 |
Zur Sicherung des Anspruchs auf Eigentumsübertragung bewilligt Verkäufer und beantragt die Parteien die Eintragung einer Vormerkung zu Lasten des Kaufgegenstands für Käufer im Grundbuch…. |
7.2 |
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Die Eintragung der Vormerkung soll unverzüglich beantragt werden.” |
Dem Vertrag war eine Mieterliste beigefügt, aus der nicht hervorging, ob bzw. welche Mietverhältnisse gekündigt waren.
Hinsichtlich der Übergabe des Grundstückes wurde am selben Tage eine Änderung des Vertrages vom Beklagten dahingehend beurkundet, dass „bis zum Eingang des Kaufpreises auf Notaranderkonto die Nutzungen weiterhin dem Verkäufer zustehen und er die Lasten zu tragen hat….”
Am 08. April 1994 teilte der Beklagte der Käuferin mit, dass am 29. März 1994 eine Auflassungsvormerkung eingetragen sei und die vereinbarten Zahlungsvoraussetzungen erfüllt seien, so dass der Kaufpreis auf das Anderkonto bis zum 12. April 1994 zu zahlen sei. Die Käuferin verwies daraufhin in ihrem Schreiben vom 13. April 1994 an den Beklagten und an den Kläger darauf, dass nicht alle Räume vermietet seien, sondern 3 Geschäftsräume und ein Weinlokal leerstünden und andere Mieter die Miete nur bedingt oder gar nicht zahlten. Da nicht wie im Kaufvertrag vereinbart geliefert werde, werde der Kaufpreis nicht gezahlt.
Nach weiteren Verhandlungen forderte der Kläger die Käuferin mit Schreiben vom 18. Juli 1994 zur Kaufpreiszahlung bis spätestens 25. Juli 1994 auf; nach dem 27. Juli kündigte er an, die Leistung abzulehnen und statt dessen Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu fordern. Die Käuferin wies mit Schreiben vom 19. Juli 1994 daraufhin, dass die Fälligkeit des Kaufpreises nach § 2 2.2 des Kaufvertrages von der Lastenfreiheit abhänge, was bis heute nicht vorliege. Nach weiteren Verhandlungen lehnte die Käuferin eine Änderung des ...