Entscheidungsstichwort (Thema)

Grobe Fahrlässigkeit beim Autokauf

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Kraftfahrzeugwerkstatt handelt grob fahrlässig, wenn sie von einem Privatverkäufer ein Kfz, bei dem eingrößerer Schaden in teilweiser Eigenreparatur beseitigt worden war, ohne eingehende Untersuchung ankauft.

2. Zum Umfang der Aufklärungspflicht eines Privatverkäufers ggü. einer Kraftfahrzeugwerkstatt.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 437 Nrn. 2-3, §§ 440, 441 Abs. 4, § 442

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 25.02.2005; Aktenzeichen 6 O 200/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 25.2.2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Kiel geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien schlossen am 21.9.2002 einen Kaufvertrag in Form eines Doppelkaufes mit Aufrechungsabrede, im Rahmen dessen die Klägerin vom Beklagten einen gebrauchten Pkw VW-Polo erwarb gegen Überlassung eines Pkw VW-Sharan an den Beklagten. Vor Abschluss des Vertrages teilte der Beklagte der Klägerin, einer Fachwerkstatt und Vertragshändlerin, mit, dass der Pkw VW-Polo einen Unfallschaden i.H.v. 10.000 EUR erlitten hatte, den er, der Beklagte, teilweise selbst repariert hatte. Eine genaue Untersuchung des Fahrzeugs durch die Werkstatt der Klägerin fand, obwohl ihr das Fahrzeug während einer längeren Probefahrt des Beklagten zur Verfügung gestanden hatte, vor Ankauf nicht statt, sondern erst nach Abschluss des Vertrages und endgültiger Überlassung des Fahrzeugs. Dabei wurde ein schlecht reparierter Heckschaden des - unstreitig verkehrssicheren - Fahrzeugs festgestellt, dessen fachmännische Beseitigung weitere Kosten i.H.v. 8.445,87 EUR lt. Sachverständigengutachten D. pp. vom 22.10.2004 erfordert. Diese macht die Klägerin als Schadensersatz klageweise geltend. Das LG hat ihrer Klage stattgegeben.

II. Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.

Der Beklagte haftet der Klägerin wegen vorhandener Sachmängel an dem mit Vertrag vom 21.9.2002 veräußerten Fahrzeug VW-Polo nicht, da diesbezügliche Rechte der Klägerin auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 440, 280 BGB bzw. Minderung gem. §§ 437 Nr. 2, 441 Abs. 4 BGB (die Klägerin hatte bereits mit Schreiben vom 10.3.2003 einen Anspruch auf Minderung i.H.v. 8.000 EUR geltend gemacht) gem. § 442 BGB ausgeschlossen sind.

1. Denn die Klägerin handelte grob fahrlässig, als sie das Fahrzeug des Beklagten ohne eine eingehende Untersuchung auf noch vorhandene Mängel ankaufte. Dabei kann dahinstehen, inwieweit überhaupt - unter Berücksichtigung der Angaben des Beklagten bei dem Verkauf des Fahrzeugs - Sachmängel vorlagen.

a) Die Klägerin traf in Anbetracht der Erklärungen des Beklagten, das Fahrzeug habe einen Unfallschaden von 10.000 EUR erlitten und der Schaden sei teilweise selbst repariert worden, eine weiter gehende Untersuchungsobliegenheit. Denn diese Tatsache legte für die Klägerin, eine Fachwerkstatt, den Schluss nahe, dass der Unfallschaden nicht in der Art und Weise beseitigt worden war, wie es ihrem Standard entsprochen hätte. So ist es ohnehin im Kfz-Handel heute allgemein üblich, einen Gebrauchtwagen vor der Hereinnahme jedenfalls einer Sicht- und Funktionsprüfung zu unterziehen. Dabei hat sich die Sicht- und Funktionsprüfung an den Angaben des Verkäufers zum Zustand des Fahrzeugs zu orientieren, will sich der Aufkäufer nicht dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit ausgesetzt sehen. Erfährt die aufkaufende Fachwerkstatt von einem Unfallschaden - hier ein Schaden von immerhin 10.000 EUR - und den Umständen der Reparatur - hier teilweise Eigenreparatur - muss ihre Sicht- und Funktionsprüfung gerade auch dies mit einbeziehen, sie darf das Fahrzeug nicht nur oberflächlich untersuchen. Aufgrund ihrer Fachkenntnis ist sie gerade in Anbetracht der ggf. zu erwartenden mängelbehafteten Reparatur verpflichtet, dieses genauer zu untersuchen als ein Fahrzeug ohne Unfallschaden. Ein Händler, der auf diese selbstverständliche Vorsichtsnahme verzichtet und damit seine Sachkunde und seine technischen Apparate bewusst ungenutzt lässt, kauft das Fahrzeug so wie es ist, zumal hier ohne großen Aufwand das Ausmaß der verbliebenen Schäden laut Sachverständigengutachten zu erkennen war. Das Händlerverhalten ist damit jedenfalls als grobe Fahrlässigkeit i.S.v. § 442 BGB zu werten (vgl. dazu: Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rz. 1563, m.w.N.).

b) Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dem Zeugen G. seien die - nach den Ausführungen im Sachverständigengutachten durchaus erkennbaren - Mängel nicht aufgefallen, da der Zeuge G. lediglich Verkäufer, nicht aber Techniker sei. Zum einen ist nicht auf die Fachkenntnis des Zeugen G. abzustellen. Denn anders als im Strafrecht gilt im Zivilrecht ein objektiver, auf die allgemeine Verkehrsbedürftigkeit ausgerichteter objektiver Sorgfaltsmaßstab (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 276 Rz. 15, m.w.N.), der zur Folge hat, dass der Fahrlässigkeitsvorwurf nicht dadu...

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