Verfahrensgang

LG Kiel (Aktenzeichen 6 O 56/21)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 06.08.2021, Az. 6 O 56/21, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1. genannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger erwarb gemäß Rechnung eines KFZ-Händlers vom 7.12.2016 Anlage K 1 von diesem ein Neufahrzeug VW Caddy TDI Euro 6 zum Preis von 23.660 EUR. Dieses Fahrzeug wies am 7.4.2021 - einen Tag vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung I. Instanz - einen Kilometerstand von 76.765 auf. Am 13.6.2022 - einen Tag vor dem Senatstermin - wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 95.797 auf.

Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 288 ausgestattet. Die Abgasreinigung erfolgt über einen SCR-Katalysator unter Zufügung von adblue. Der PKW des Klägers ist nicht von einem Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt betroffen.

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien I. Instanz und ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung wie folgt ausgeführt:

Der Kläger habe keinen Anspruch aus § 826 BGB oder aus § 823 Abs. 2 BGB. Solche Ansprüche ließen sich nicht daraus herleiten, dass er behaupte, in seinem Fahrzeug sei eine Zykluserkennung ähnlich der in dem Motor EA 189 verbaut. Denn dies habe er nur pauschal behauptet und auf den genannten Vorläufermotor verwiesen. Das reiche jedoch als Vortrag ins Blaue hinein hier nicht aus. Das KBA habe für den Motor EA 288 eine unzulässige Umschaltlogik nicht festgestellt, wie sie sich auch aus dem Bericht der vom BMVI eingesetzten Untersuchungskommission Volkswagen ergebe. Es liege auch kein Rückruf für das streitgegenständliche Fahrzeug vor. Die Untersuchungen zum EA 288 seien durch unabhängige technische Dienste erfolgt und zwar bei variierten Prüfungsanforderungen sowohl im Labor auf dem Rollenprüfstand als auch unter realen Fahrbedingungen. Die Untersuchungskommission sei nach diesen Prüfungen zu dem Ergebnis gekommen, dass in Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 288 keine Abgasmanipulationen enthalten seien. Allein der Umstand, dass ein Fahrzeug höhere Emissionen im Straßenbetrieb aufweise als unter Prüfstandsbedingungen, lasse den Schluss auf eine unzulässige Abschalteinrichtung nicht zu. Solche Hinweise würden sich auch nicht aus den sogenannten Applikationsrichtlinien vom 18.11.2015 ergeben, diese Dokumente seien dem KBA auch bereits im Dezember 2015 übermittelt worden und deshalb lange bekannt. Über das Vorhandensein einer Fahrkurvenerkennung sei das KBA deshalb informiert gewesen und es sei die mit dem KBA abgestimmte Entscheidung getroffen worden, diese entweder mittels Software-Update zu entfernen oder bei neuen Fahrzeugen darauf zu verzichten, wodurch der Vorwurf der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gegenüber dem Kläger entfallen sei.

Keine Ansprüche könne der Kläger auch aus seinem Vortrag betreffend die Verwendung eines Thermofensters herleiten, denn er habe nicht schlüssig dargelegt, dass die Verwendung eines Thermofensters sittenwidrig sei. Die Verwendung des Thermofensters sei nicht auf eine Überlistung der Prüfungssituation ausgelegt, sondern unterscheide nach Umgebungstemperaturen, die sowohl im Prüfstand als auch im realen Fahrbetrieb auftreten könnten. Das KBA sah und sehe den Einsatz von Thermofenstern jedenfalls in bestimmten Fällen als zulässig an. Pauschal könne deshalb ein besonderer Unwert der Verwendung des eines Thermofensters nicht festgestellt werden. Zwar möge es den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründen, wenn die Beklagte im Typengenehmigungsverfahren unzutreffende Angaben gemacht haben solle. Dazu gebe es aber nur pauschalen Vortrag des Klägers ohne greifbare Anhaltspunkte.

Dem Kläger stünden auch keine Ansprüche zu, soweit er behaupte, die Zufuhr von adblue sei im regulären Straßenverkehr per Manipulationssoftware gedrosselt. Auch für eine prüfstandsoptimierte adblue-Zufuhr würden keine greifbaren Anhaltspunkte bestehen. Es reiche nicht aus, vorzutragen, dass sich das Abgasverhalten des streitgegenständlichen Motors im normalen Straßenverkehr von demjenigen auf dem Prüfstand unterscheide.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet. Er macht geltend:

Das Fahrzeug sei mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet. Es könne erkennen, ob es sich innerhalb oder außerhalb des Zyklus befinde, um den Emissionsausstoß zu manipulieren.

Zunächst gebe es eine Manipulation des SCR-Katalysators. Um die Umwandlung der Stickoxide effektiv leisten...

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