Entscheidungsstichwort (Thema)

Schmerzensgeld

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Tod des Unfallopfers ist kein Umstand, der zur Erhöhung des Schmerzensgeldanspruches führt.

 

Normenkette

BGB § 847 a.F.

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 18.08.1988; Aktenzeichen 11 O 434/87)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 18. August 1988 verkündete Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Kiel teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.000,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Juni 1987 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Anschlußberufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Beklagte 30 % und die Klägerin 70 %.

Die Kosten des zweiten Rechtszuges fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 27.000,– DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

Berufung und Anschlußberufung sind zulässig. Die Berufung ist begründet, während die Anschlußberufung keinen Erfolg haben kann.

Der Senat folgt der Berufung des Beklagten im Ergebnis darin, daß das vom Landgericht für den am 22.2.1988 verstorbenen Ehemann der Klägerin auf insgesamt 70.000,– DM bemessene Schmerzensgeld unangemessen hoch ist. Nachdem der Beklagte außergerichtlich einen Schmerzensgeldbetrag von 35.000,– DM gezahlt hat, können der Klägerin nur noch weitere 15.000,– DM zuerkannt werden, weil ein Schmerzensgeldbetrag von insgesamt 50.000,– DM unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Sachverhalts als diejenige „billige Entschädigung in Geld” (§ 847 Abs. 1 Satz 1 BGB) erscheint, die der Schwere der dem Ehemann der Klägerin durch den Beklagten zugefügten Körperverletzungen und der Dauer seiner hierdurch bedingten Leiden angemessen entspricht und auch dem Gedanken der Genugtuung hinreichend Rechnung trägt:

Auch der Senat geht davon aus, daß der zur Unfallzeit (24.3.1986) nahezu 82 Jahre alte Ehemann der Klägerin sich körperlich und geistig überdurchschnittlicher Gesundheit erfreute. Das folgert bereits das Landgericht aus den Angaben der sachverständigen Zeugen, vor allem des Hausarztes des Erblassers, des Zeugen Dr. … Diese Feststellung wird auch zwanglos dadurch bestätigt, daß der Erblasser – wie der unstreitige Unfallverlauf belegt – noch mit seinem Fahrrad am öffentlichen Straßenverkehr teilnahm. Das Landgericht geht ferner zutreffend davon aus, daß der Erblasser infolge seiner unfallbedingten Verletzungen körperlich und geistig schwerstens geschädigt worden ist. Dennoch ist der Senat – im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Berufung – der Auffassung, daß der auf 70.000,– DM bemessene Schmerzensgeldbetrag zu hoch ist, weil die Dauer der durch den Unfall bedingten Leiden des Erblassers und seine Fähigkeit, das Maß seiner Beeinträchtigungen wahrzunehmen, Faktoren sind, die auch bei der Findung einer „billigen Entschädigung in Geld” für zugefügte Körperverletzungen zu berücksichtigen sind. Dies hat der Bundesgerichtshof, dem sich der Senat anschließt, in verschiedenen grundlegenden Entscheidungen wiederholt ausgesprochen:

Auch der Senat geht auf der Grundlage des erstinstanzlichen Beweisergebnisses davon aus, daß der Tod des Erblassers am 22.2.1988 – knapp 2 Jahre nach dem erlittenen Verkehrsunfall – als eine Unfallfolge anzusehen ist. Für die Bemessung des Schmerzensgeldes kann dies indes kein Umstand sein, der zu einer Schmerzensgelderhöhung zu Lasten des Beklagten führt. Als geltendes Recht muß hingenommen werden, daß das Gesetz (§ 847 BGB) zwar für die Verletzung des Körpers und die hierdurch bedingten Beeinträchtigungen des Menschen eine billige Entschädigung auch in Geld vorsieht, jedoch nicht für die Tötung eines Menschen als solche. Aus dem höchstpersönlichen Recht auf Schmerzensgeld für erlittene körperliche Beeinträchtigungen folgt demgemäß auch, daß die Verkürzung der Leidenszeit durch Tod infolge der Verletzungshandlung kein schmerzensgelderhöhender, sondern ein schmerzensgeldmindernder Faktor ist. Der Bundesgerichtshof führt hierzu aus (NJW 1976, 1147, 1149 m. N.):

„Es verbietet sich auch die scheinbar naheliegende Erwägung, es dürfe dem Schädiger nicht zugutekommen, daß er mit der gleichzeitigen Ausschaltung oder Zerstörung wichtigster psychischer Funktionen des Geschädigten sogar einen besonders gravierenden Schaden gesetzt hat. Daß jenseits des Bereiches des Ausgleichs von Schmerzen im weiteren Sinne keine verbindliche Relation zwischen der Schwere der Schädigung und der Höhe des Schadens bestehen muß, ergibt sich schon daraus, daß der Gesetzgeber nicht nur, wie oben bemerkt, die Zerstörung des Lebens als solche nicht mit einer zivilrechtlichen Sühne belegt, sondern daß überdies die ganz herrschende Rechtsprechung dem Umstand, daß der Geschädigte die Verletzung nur wenig überlebt hat, selbst dann als schmerzensgeldmindernd und nicht etwa als Grund für seine Erhöhung betrachtet, wenn der Tod gerade durch das Unfallereignis verursacht worden ist.”

H...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge