Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgfaltspflichten bei einem Gitterrost-Fußabtreter
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 15.05.2015) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.05.2015 verkündete Grundurteil des Einzelrichters der 17. Zivilkammer des LG Kiel geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 77.381,38 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Beklagte erbte im Jahr 2007 ein im Jahr 1906 gebautes Mietshaus in K. In den Gehweg vor der Haustür war seit Jahrzehnten ein Fußabtreter in Gestalt eines metallenen Gitterrosts eingelassen. Dieses Gitterrost wies rautenförmige Öffnungen von 4 cm × 7,3 cm auf; seine genaue Gestaltung und seine Lage ergibt sich aus den als Anlagen K 1 - 8 eingereichten Fotos (Bl. 25-34). Bis zum 28.10.2011 kam es nicht zu Unfällen beim Betreten des Gitterosts. Die Hausverwaltung oblag durchgehend der Firma H GmbH.
Mieterin einer der Wohnungen war die Tochter der Klägerin.
Die Klägerin hat behauptet, das Gitterrost sei gefährlich und im Dunkeln nicht erkennbar gewesen. Deshalb sei sie am Morgen des 28.10.2011, als sie nach einem Besuch bei ihrer Tochter um 07.30 Uhr, also vor Beginn der Dämmerung, das Haus verlassen habe, mit dem Absatz ihres rechten Schuhs dort hängen geblieben und gestürzt. Hierdurch habe sie sich erheblich verletzt und sei viele Monate arbeitsunfähig gewesen. Mit dieser Begründung hat die Klägerin der Beklagten vorgeworfen, schuldhaft ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt zu haben, und hat von ihr Schmerzensgeld und Sachschadensersatz in Höhe von insgesamt 77.381,38 EUR nebst Zinsen verlangt.
Die Beklagte hat den Vorwurf einer Pflichtverletzung zurückgewiesen und auch den behaupteten Unfall bestritten.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Nach Beweisaufnahme über den Unfallhergang hat das LG mit dem angefochtenen Grundurteil die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, der Klägerin den durch den Sturz entstandenen Schaden zu ersetzen. In den Gründen heißt es, die Klägerin habe den behaupteten Sturz bewiesen. Ferner sei die Gestaltung des Gitterrosts in der Tat als verkehrswidrig anzusehen, denn solche Gitterroste seien so zu gestalten, dass ein Hängenbleiben ausgeschlossen sei. Für die Beklagte sei die Gefahr auch erkennbar gewesen, nicht aber für die Klägerin, der deshalb auch kein anspruchsminderndes Mitverschulden vorzuwerfen sei.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie geltend macht, dass ihr die besondere Gestaltung des Gitterrosts keineswegs vorzuwerfen sei.
Die Beklagte beantragt, wie folgt zu erkennen:
Unter Abänderung des am 15.05.2015 verkündeten Grundurteils wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Grundurteil.
II. Gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO wird die Abänderung der angefochtenen Entscheidung kurz begründet.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen dem angefochtenen Grundurteil ist die Beklagte der Klägerin nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Auch wenn man den von der Klägerin behaupteten Unfallhergang mit dem LG für erwiesen hält, ist nicht festzustellen, dass die Beklagte schuldhaft Pflichten verletzt hätte, die ihr als Hauseigentümerin oder auch - möglicherweise mit Schutzwirkung auch für die Klägerin - als Vermieterin oblagen.
Zwar weicht die Gestaltung des beanstandeten Gitterrosts mit den verhältnismäßig großen Öffnungen zwischen den einzelnen Gitterstäben von der Gestaltung üblicher, insbesondere neuerer Gitterroste ab. Durch diese Abweichung wurde aber die Gefahr, dass ein Damenschuh mit hohem Absatz hängen blieb, nicht wesentlich erhöht. Jedes Gitterost begründet die Gefahr, mit Damenschuhen der von der Klägerin seinerzeit getragenen Art hängen zu bleiben. Die Absätze dieser Schuhe, die auch dem Senat vorgelegen haben und in den Anlagen K 90 - K 92 (Bl. 153-155) abgebildet sind, messen in Querrichtung 2,5 cm und in Längsrichtung 1,5 cm. Bei handelsüblichen Fußabtreter-Gitterrosten mit quadratischen Öffnungen von etwa 3 cm Breite ist zwar die Wahrscheinlichkeit, mit dem Absatz gerade zwischen zwei Stege zu geraten, etwas geringer. Wenn dies aber dennoch einmal geschieht, ist hier die Gefahr, dass der Absatz zwischen den Stegen hängen bleibt, sogar eher noch größer.
Da Fußabtreter-Gitteroste vor Wohnhäusern der in Rede stehenden, älteren Art gerichtsbekannt üblich sind, darf der Verkehrssicherungspflichtige darauf vertrauen, dass Bewohner un...