Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des Tierhalters
Leitsatz (amtlich)
Tierhalter ist, wer andere erlaubtermaßen der nur unzulänglich beherrschbaren Tiergefahr aussetzt; zum Begriff des Tierhalters in Rechtsprechung und Literatur.
Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 24.10.2003; Aktenzeichen 13 O 146/03) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.10.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des LG Kiel wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Schadensersatz mit der Begründung, das Pferd des Beklagten habe ihr Pferd verletzt.
Das LG hat die Klage abgewiesen, weil der Beklagte nicht Tierhalter sei. Die Berufung der Klägerin mit der Begründung, der Beklagte sei Halter, weil er für die wirtschaftlichen Kosten des Pferdes für seine Tochter aufkomme und die Haftpflichtversicherung für das Pferd abgeschlossen habe, hat keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Der Senat hat zur Frage der Tierhaltereigenschaft die Parteien persönlich angehört; wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks vom 27.5.2004 verwiesen.
Die Berufung der Klägerin, mit der sie die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 14.477,65 Euro nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagzustellung begehrt, ist unbegründet; das LG hat zu Recht die Tierhaltereigenschaft des Beklagten verneint:
Das BGB enthält ebensowenig wie die ihm vorausgegangenen Gesetze eine Definition des Begriffes "Tierhalter" (s. auch OLG Hamm VersR 1970, 729 [730]; Kreft in RGRK, 12. Aufl., § 833 Rz. 389). Demgemäß hat eine Begriffsbestimmung im Wege der Auslegung zu erfolgen.
Abstellend auf den Sinn und Zweck des § 833 BGB und seine Funktion im Schadensersatzrecht sieht die Rechtsprechung denjenigen als Tierhalter an, der andere erlaubtermaßen der nur unzulänglich beherrschbaren Tiergefahr aussetzt (BGH v. 19.1.1988 - VI ZR 188/87, MDR 1988, 571 = NJW-RR 1988, 655; OLG Saarbrücken v. 17.2.1988 - 1 U 31/86, NJW-RR 1988, 1492; s. a. OLG Hamm VersR 1970, 729 [731]). Wer "Unternehmer" des mit der Tierhaltung verbundenen Gefahrenbereichs ist, soll für den daraus erwachsenden Schaden einzustehen haben. Nach ihrem Sinn und Zweck handelt es sich bei der Tierhalterhaftung mithin um "Betriebskosten einer gefahrträchtigen Veranstaltung" (BGH v. 19.1.1988 - VI ZR 188/87, MDR 1988, 571 = NJW-RR 1988, 655).
Bei dieser Betrachtung des Halterbegriffes kommt es nicht entscheidend darauf an, wessen unmittelbarer Einwirkung das Tier zur Zeit des Schadensfalles unterliegt (BGH v. 19.1.1988 - VI ZR 188/87, MDR 1988, 571 = NJW-RR 1988, 655 [656]; vgl. auch OLG Hamm VersR 1970, 729 [731]). Vielmehr ist darauf abzustellen, wem die Bestimmungsmacht über das Tier zusteht, wer aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt und wer das wirtschaftliche Verlustrisiko trägt (BGH v. 19.1.1988 - VI ZR 188/87, MDR 1988, 571 = NJW-RR 1988, 655; NJW 1977, 2158; OLG Saarbrücken v. 17.2.1988 - 1 U 31/86, NJW-RR 1988, 1492; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.7.1997 - 22 U 6/97, OLGReport Düsseldorf 1998, 74 = juris; LG Hanau v. 16.1.2003 - 1 O 1130/02, MDR 2003, 993 = NJW-RR 2003, 457; s. a. BGH v. 19.1.1982 - VI ZR 132/79, VersR 1982, 348; vgl. OLG Celle VersR 1979, 161, LG Osnabrück v. 13.3.1998 - 12 S 516/97, NJW-RR 1998, 959; OLG Düsseldorf v. 21.4.1982 - 3 U 137/81, MDR 1982, 935 = VersR 1983, 543).
Auch das Schrifttum stellt bei der Bestimmung der Haltereigenschaft auf die seitens der Rechtsprechung auslegungsweise ermittelten Kriterien des Eigeninteresses an der Nutzung des Tieres (Kreft in RGRK, 12. Aufl., § 833 Rz. 39 a.E.; Bamberger/Roth/Spindler, § 833 Rz. 12; Erman/Schiemann, 11. Aufl., § 833 Rz. 7; vgl. Soergel/Zeuner, 12. Aufl., § 833 Rz. 12; Jauernig/Teichmann, 10. Aufl., § 833 Rz. 3; Palandt/Sprau, 63. Aufl., § 833 Rz. 9; Staudinger/Belling/Eberl-Borges, Neubearbeitung 2002, § 833 Rz. 80 ff.), der Gewährung von Obdach und Unterhalt (Wagner in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 833 Rz. 21; Kreft in RGRK, 12. Aufl., § 833 Rz. 39; vgl. Jauernig/Teichmann, 10. Aufl., § 833 Rz. 3), der Sorge für das Tier (Kreft in RGRK, 12. Aufl., § 833 Rz. 39; s. a. Staudinger/Belling/Eberl/Borges, Neubearbeitung 2002, § 833 Rz. 74), der Aufnahme in den eigenen Haus- bzw. Wirtschaftsbetrieb (Soergel/Zeuner, 12. Aufl., § 833 Rz. 12; Erman/Schiemann, 11. Aufl., § 833 Rz. 7; Wagner in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 833 Rz. 21; Kreft in RGRK, 12. Aufl., § 833 Rz. 39), des Bestimmungsrechts (Palandt/Sprau, 63. Aufl., § 833 Rz. 9; Kreft in RGRK, 12. Aufl., § 833 Rz. 39 - "tatsächliche Verfügungsgewalt"; Bamberger/Roth/Spindler, § 833 Rz. 12), der Kostentragung (Staudinger/Belling/Eberl/Borges, Neubearbeitung 2002, § 833 Rz. 76; Bamberger/Roth/Spindler, § 833 Rz. 12; Kreft in RGRK, 12. Aufl., § 833 Rz. 39; Palandt/Sprau, 63. Aufl., § 833 Rz. 9; s. a. Wagner in MünchKomm/BGB...