Entscheidungsstichwort (Thema)
Mithaftung eines Bauherrn für Baumängel
Leitsatz (amtlich)
Führen Mängel eines Vorgewerks dazu, dass die Leistung eines nachfolgenden Unternehmers mangelhaft ist, haftet der Bauherr nicht mit. Der Vorunternehmer ist nicht als sein Erfüllungsgehil-fe anzusehen.
Normenkette
BGB § 633 Abs. 2 S. 3
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 08.10.2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck teilweise abgeändert und teilweise wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 15.008,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2019 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten zu einer Quote von weiteren 10 % (insgesamt 60 %) sämtliche weiteren Schäden einschließlich Sach- und Vermögensschäden zu ersetzen, die durch die fehlerhafte Abdichtung der Wandanschlüsse an Balkonen und Laubengängen an dem Objekt Xstraße ... in Y verursacht werden.
Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte weitere 1.474,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2021 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in der ersten Instanz tragen die Klägerin 58 % und die Beklagte 42 %. Von den Kosten der Berufung tragen die Klägerin 29 % und die Beklagte 71 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Beklagte und Widerklägerin verlangt einen Vorschuss zur Mangelbeseitigung und die Feststellung, dass die Klägerin weiteren Schadensersatz zu leisten hat.
Die Parteien schlossen im Jahr 2016 einen Vertrag über Dachdecker- und Abdichtungsarbeiten bei dem Neubau einer Wohnanlage. Die Klägerin hatte unter anderem Abdichtungsarbeiten auf Balkonen und Laubengängen zu leisten.
Nach der Herstellung einer Bitumenabdichtung und der Anbringung des Wärmedämmverbundsystems ließ die Beklagte Türen und bodentiefe Fenster austauschen. Die Klägerin nahm nachfolgend vereinbarungsgemäß eine weitere Abdichtung mit Flüssigkunststoff vor.
Nach der Abnahme stellte die Klägerin im Januar 2017 ihre Schlussrechnung mit einem offenen Betrag von 34.279,58 EUR, den sie mit ihrer Klage geltend gemacht hat. Nachdem die Beklagte aufgrund eines Zwischenvergleiches 4.000,00 EUR Zug um Zug gegen die Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft gezahlt hatte, hat die Klägerin zuletzt die Zahlung von 26.213,79 EUR nebst Zinsen sowie weiterer 4.065,78 EUR Zug um Zug gegen Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft verlangt.
In den Wohnungen kam es zu Feuchtigkeitserscheinungen und Schimmelbildung. In verschiedenen Privat- und Gerichtsgutachten wurden Mängel der von der Klägerin hergestellten Abdichtung festgestellt. Die Beklagte hat mit einem Vorschussanspruch gegen den Werklohnanspruch der Klägerin aufgerechnet und die Zahlung weiterer 42.243,66 EUR nebst Zinsen und Kosten sowie die Feststellung, dass die Klägerin zum Ersatz sämtlicher weiterer Schäden verpflichtet ist, verlangt.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der näheren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat nach der Einholung eines Sachverständigengutachtens die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 4.065,78 EUR Zug um Zug gegen Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft und die Klägerin unter Abweisung der Widerklage im Übrigen zur Zahlung von 16.656,53 EUR nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, dass die Klägerin die Hälfte der weiteren Schäden zu ersetzten hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Aufrechnung durch die Beklagte habe sich nur gegen einen Betrag von 26.213,79 EUR gerichtet, sodass der Werklohnanspruch nur in dieser Höhe erloschen sei. Der restliche Werklohn sei Zug um Zug gegen Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft zu zahlen.
Die Beklagte könne die Zahlung eines überschießenden Kostenvorschusses verlangen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei die Bitumenabdichtung zum Kalksteinmauerwerk unvollständig, insbesondere an den Seiten der Laubengänge und Balkone, sei die Bitumenabdichtung an der Außenwand nicht ausreichend hochgeführt worden, sei die Abdichtung nicht hinter den Türschwellen hochgeführt worden und fehlten Klemmprofile zum wasserdichten Anschluss an die Türen. Die Klägerin habe mit der Flüssigkunststoffabdichtung nach dem Austausch der Türen die Türschwellen und -pfosten nicht hinterfahren. Sie habe trotz Lunken in den Betonplatten die Bitumenabdichtung aufgebracht, so dass es zu einem Gegengefälle in Richtung der Wände gekommen sei.
Der Beklagten sei ein Mitverschulden wegen Planungsfehlern anzurechnen. Die Betonplatten hätten ein Gegengefälle aufgewiesen. Das Wärmedämmverbundsystem sei über die noch unvollständige Bitumenabdichtung hinweg hergestellt worden. Bei der Festlegung der Höhe der Bitumenbahnen auf dem Außenmauerwerk sei die Trittbelagshöhe unberücksichtigt gelassen worden. Die aus...