Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachschusspflicht eines stillen Gesellschafters
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn der Verlustanteil des stillen Gesellschafters gem. Gesellschaftsvertrag "zu Lasten seines Kapitalkontos" verbucht werden sollte, ist die tatsächliche Buchung auf dem Konto "Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern" (= Fremdkapital) unzulässig, denn eine ordnungsgemäße Verbuchung hätte zur Bildung eines Passivsaldos (Negativsaldos) auf dem Einlagekonto geführt, wodurch das fehlende Eigenkapital auch nach außen hin dokumentiert worden wäre.
2. Die Feststellung des Jahresabschlusses bei einer GmbH hat die Bedeutung einer Verbindlicherklärung der Bilanz jedenfalls im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft und auch untereinander. Typischer Inhalt einer solchen korporativen Abrede ist auch ein Ausschluss bekannter oder mindestens für möglich gehaltener Einwendungen gegenüber bilanzierten Gesellschafterverbindlichkeiten im Sinne eines deklaratorischen Anerkenntnisses.
3. Bei einer atypisch stillen Beteiligung ist es dem geschäftsführenden, stillen Gesellschafter gem. § 242 BGB (unzulässige Rechtsausübung) verwehrt, sich darauf zu berufen, er habe seine Erklärungen zum Jahresabschluss nur in seiner Funktion als Gesellschafter-Geschäftsführer und nicht zugleich auch seiner Funktion als atypisch stiller Gesellschafter abgegeben
Normenkette
HGB § 232 Abs. 2 S. 1; BGB § 242
Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 08.01.2009; Aktenzeichen 15 O 166/07) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 8.1.2009 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen II des LG Kiel wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Der Kläger beansprucht in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter von dem Beklagten in seiner Eigenschaft als stiller Gesellschafter im Berufungsverfahren noch Zahlung aus einer Verlustübernahme i.H.v. 272.542,10 EUR.
Der Beklagte war ursprünglich Mitgesellschafter (seit dem 14.7.2003 Alleingesellschafter) und Mitgeschäftsführer der H. GmbH (im Folgenden Insolvenzschuldnerin; Umfirmierung am 8.8.2005 in HAV GmbH, AG Kiel, HRB 7704 in T). Mit Vertrag vom 26.11.2002 wurde der Beklagte mit einer Einlage i.H.v. 200.000 EUR zugleich stiller Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin. In § 4 des Gesellschaftsvertrages heißt es:
§ 4 Abs. 1: Der stille Gesellschafter ist am festgestellten - korrigierten - Jahresüberschuss der GmbH mit 90 % beteiligt ...
§ 4 Abs. 3: In gleicher Höhe wie am Gewinn ist der stille Gesellschafter an einem Verlust des Unternehmens der GmbH beteiligt. Der Verlustanteil ist zur Lasten seines Kapitalkontos zu verbuchen. Sollte dadurch der ursprüngliche Betrag der Einlage unterschritten werden, sind künftige Gewinnanteile zunächst zur Ausfüllung der Einlage auf ihre ursprüngliche Höhe zu verwenden.
Der Beklagte überwies in der Zeit vom 29.10.2002 bis zum 3.1.2003 unstreitig insgesamt 205.000 EUR auf das Konto der Insolvenzschuldnerin.
Der Kläger nimmt den Beklagten aus Verlusten der Insolvenzschuldnerin in Geschäftsjahren 2002 bis einschließlich 2004 i.H.v. insgesamt 472.542,10 EUR in Anspruch und zwar wie folgt:
- Geschäftsjahr 2002: Jahresfehlbetrag 173.163,48 EUR davon 90 % = 155.847,13 EUR
- Geschäftsjahr 2003: Jahresfehlbetrag 294.840,16 EUR davon 90 % = 264.919,82 EUR
- Geschäftsjahr 2004: Jahresfehlbetrag 64.903,68 EUR davon 90 % = 51.775,15 EUR
Gesamtverlustübernahme des Beklagten in den Jahren 2002-2004: 472.542,10 EUR
Der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2002 wurde von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft M. GmbH, Hamburg geprüft und bestätigt. Die Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 2003 und 2004 wurden von der Insolvenzschuldnerin mittels elektronischer, EDV-gestützter Finanzbuchhaltung selbst erstellt und von dem Beklagten eigenhändig unterschrieben.
Ausweislich der von dem Beklagten am 5.10.2004 erstellten Gesellschafterliste war der Beklagte zu diesem Zeitpunkt mit einem Anteil von 224.500 EUR und ein Herr J. M. aus T. mit einem Anteil von 25.500 EUR am Kapital der Insolvenzschuldnerin beteiligt. Der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2003 wurde von der Insolvenzschuldnerin am 23.2.2005 dem zuständigen Finanzamt L. vorgelegt. Auch die übrigen Jahresabschlüsse sind im Rahmen der Steuererklärung der Insolvenzschuldnerin dem zuständigen Finanzamt vorgelegt worden.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe durch die Feststellung der Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 2002 bis 2004 seine Verpflichtung zur Verlustübernahme i.H.v. jeweils 90 % der Jahresfehlbeträge als stiller Gesellschafter auch im Außenverhältnis verbindlich anerkannt. Dies folgte aus den vorgelegten Jahresabschlüssen sowie der Finanzbuchhaltung, für die der Beklagte als damaliger Geschäftsführer der Insolvenzschul...