Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungsfall und Versicherungsschutz nach den Bedingungen der Betriebsschließungsvereinbarung bei einer Betriebsschließung aufgrund der in Folge der Corona-Pandemie ergangenen Verordnungen
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Betriebsschließung aufgrund der in Folge der Corona-Pandemie ergangenen Verordnungen liegt kein Versicherungsfall im Sinne der den Musterbedingungen entsprechenden Bedingungen der Betriebsschließungsversicherung vor. Es fehlt an einer einzelfallbezogenen Maßnahme zur Bekämpfung einer aus dem konkreten Betrieb erwachsenden Infektionsgefahr (intrinsische/endogene Gefahr).
2. Verspricht eine Betriebsschließungsversicherung Deckungsschutz für "die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger", ohne dass Covid-19 und SARS-CoV-2 (auch nicht sinngemäß) genannt sind, besteht kein Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen wegen des neuartigen Corona-Virus.
Normenkette
IfSG §§ 6-7; VVG
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 8. Januar 2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt Leistungen aus einer Betriebsschließungs-Versicherung.
Der Kläger ist Betreiber einer Gaststätte in T.. Er unterhält bei der Beklagten im Rahmen einer Sach-Inhaltsversicherung eine (Zusatz-)Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung), der die ZBSV 08 (Anlage K 1, Bl. 10) zugrunde liegen und die ihm einen schließungsbedingten Ertragsausfallschaden bis zu einer Haftzeit von 30 Tagen ersetzen soll. Die Bedingungen lauten auszugsweise:
§ 2 versicherte Gefahren
1. Versicherungsumfang
Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern bei Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;
b) die Desinfektion der Betriebsräume und -einrichtungen des versicherten Betriebes ganz oder in Teilen anordnet oder schriftlich empfiehlt, weil anzunehmen ist, dass der Betrieb mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet ist;
c) die Desinfektion, Brauchbarmachung zur anderweitigen Verwertung oder Vernichtung von Vorräten und Waren in dem versicherten Betrieb anordnet oder schriftlich empfiehlt, weil anzunehmen ist, dass die Vorräte und Waren mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet sind;
d) in dem versicherten Betrieb beschäftigten Personen ihre Tätigkeit
- wegen Erkrankungen an meldepflichtigen Krankheiten,
- wegen Infektion mit meldepflichtigen Krankheitserregern,
- wegen entsprechenden Krankheits- oder Ansteckungsverdachts oder
- als Ausscheider von meldepflichtigen Erregern untersagt.
e) Ermittlungsmaßnahmen nach § 25 Abs. 1 IfSG oder Beobachtungsmaßnahmen nach § 29 IfSG anordnet, weil jemand krank, krankheits-, ansteckungsverdächtig oder Ausscheider ist.
2. Meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger
a) (es folgt eine Liste einzelner Krankheiten)
b) (es folgt eine Liste einzelner Krankheitserreger)
Aufgrund einer im Zuge der Corona-Pandemie erlassenen, zum 18. März 2020 wirksamen Landesverordnung der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung schloss der Kläger seine Gaststätte, bot aber einen Lieferdienst außer Haus nach Vorbestellung an. Die von ihm angemeldeten Entschädigungsansprüche wies die Beklagte mit Schreiben vom 27. April 2020 (Anlage K 2, Bl. 12) zurück; ein darin unterbreitetes Angebot einer Einmalzahlung von 7.176,- EUR (geschätzte 15 % der Tagesentschädigung) nahm der Kläger nicht an.
Mit seiner im Juni 2020 erhobenen Klage auf die Feststellung, dass die Beklagte ihm zur Zahlung von Entschädigung aus der Versicherung verpflichtet sei, hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte sei schon dann eintrittspflichtig, wenn aufgrund des IfSG beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten ein Betrieb geschlossen werde; die Klausel erwähne gerade nicht, dass die meldepflic...