Leitsatz (amtlich)

Zum substantiierten Vortrag einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung durch Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung in ein Fahrzeug (hier ein VW T 6 mit einem Motor EA 288)

 

Normenkette

BGB § 826

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 19.05.2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen in sein Fahrzeug eingebauter unzulässiger Abschalteinrichtungen.

Der Kläger kaufte von der X GmbH am 12.12.2017 einen neuen VW Multivan 2,0 TDI zu einem Preis von 24.844,00 EUR (Anlage K 1, Bl. 17 d. A.). Das Fahrzeug ist mit einem Motor EA 288 ausgestattet. Es ist in die Schadstoffklasse EU 6 eingeteilt. Der Kläger finanzierte den Kaufpreis.

In dem Motor wird der Stickoxidausstoß einerseits über eine Abgasrückführung minimiert. Dabei werden Abgase in den Verbrennungsraum zurückgeführt, was zu einer Abkühlung des Verbrennungsprozesses und dadurch zu einer verringerten Bildung von Stickoxiden führt. Andererseits steigt dadurch die Bildung von Rußpartikeln. Die Abgasrückführung wird über ein sogenanntes Thermofenster reguliert, d. h. abhängig u. a. von den Außentemperaturen verändert sich die Rate der Abgasrückführung.

Andererseits ist in dem Fahrzeug ein SCR-Katalysator eingebaut. In diesem Katalysator werden Stickoxide unter Zugabe von Harnstofflösung (AdBlue) in andere Stoffe umgewandelt.

In bis zur 22. Kalenderwoche 2016 hergestellten Fahrzeugen enthielt die Motorsteuerung eine Fahrkurvenerkennung bzw. Akustikfunktion. Die Motorsteuerung erkannte die Durchführung des NEFZ. Sie hielt dann die Abgasrückführungsrate auch im letzten Teil des NEFZ nach Erreichen der Betriebstemperatur des SCR-Katalysators hoch. Mit einer Applikationsrichtlinie vom 18.12.2015 (Anlage B 12, AB B I) entschied die Beklagte, diese für ab der 22. Kalenderwoche 2016 hergestellte Fahrzeuge nicht mehr zu verwenden.

Das Fahrzeug des Klägers war von einem Rückruf wegen einer Konformitätsabweichung betroffen. Beim Abbrennen des Rußes im Dieselpartikelfilter entstehen höhere Stickoxidemissionen. Da das Abbrennen während eines Tests nicht auftritt, wird aufgrund von Messungen an einem Fahrzeug für eine Fahrzeugfamilie ein sogenannter Ki-Faktor gebildet, mit dem die Werte aus dem Test multipliziert werden. Im Jahr 2017 stellte die Beklagte fest, dass die Stickoxidemission während der Regeneration des Dieselpartikelfilters höher waren als angenommen und zum Überschreiten des Grenzwerts führten. Sie entwickelte ein Update, das für ein zusätzliches Einspritzen von AdBlue während der Regeneration des Dieselpartikelfilters führt. Das Fahrzeug des Klägers hat das Update am 19.05.2019 erhalten.

Fahrzeuge mit Motoren EA 288 waren im Jahr 2016 Gegenstand der Untersuchungen, die nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals durchgeführt wurden. Es wurden Messungen mit leichten Abweichungen vom NEFZ durchgeführt, etwa mit anderen Geschwindigkeiten oder bei anderen Temperaturen. Der Grenzwert für Stickoxidemissionen wurden dabei jeweils eingehalten (Bericht der Untersuchungskommission Anlage B 1, AB B I).

Im Jahr 2018 erließ die Staatsanwaltschaft Braunschweig einen Bußgeldbescheid gegen die Beklagte wegen Aufsichtspflichtverletzungen im Zusammenhang mit den Motoren EA 189 und EA 288 (Pressemitteilung Anlage K 7, Bl. 36 d. A.). Im selben Jahr erließ die Staatsanwaltschaft München einen entsprechenden Bußgeldbescheid gegen die Audi AG (Pressemitteilung Anlage K 8, Bl. 37 - 38 d. A.).

Der Kläger hat behauptet, er hätte das Fahrzeug in Kenntnis der Verschlechterung der Stickoxidwerte im realen Straßenbetrieb gegenüber dem Prüfstandbetrieb nicht gekauft.

Das Fahrzeug werde auf dem Prüfstand in einem anderen Softwaremodus betrieben als im Straßenverkehr und halte die Grenzwerte nur auf dem Prüfstand ein. Die Motorsteuerung verfüge über eine Prüfstanderkennung bzw. Akustikfunktion. Die Einspritzung von AdBlue und die Abgasrückführungsrate würden dann so verändert, dass die Stickoxidemissionen vermindert würden. Dies werde aktiviert, wenn wie beim NEFZ die Temperatur von Motorkühlwasser, Motorschmieröl und Kraftstoff zwischen 18 °C und 33 °C und der Umgebungsdruck 930 mbar betrügen (GA KBA v. 25.06.2017, Anlage K 19, AB K I). Das Fahrzeug erkenne, ob, wie nur auf dem Prüfstand, die Motorhaube geöffnet sei und reduziere dann die Emissionen. Es gebe eine Aufwärmfunktion, die den Prüfstand erkenne und sodann zu einer geringeren Stickoxidemission führe. Nach 1.200 bzw. 2.000 Sekunden, der Dauer des Testzyklus, schalte die Motorsteuerung in den schmutzigen Modus. Bei einer Drehung des Lenkrades um mehr al...

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