Leitsatz (amtlich)
Im Falle einer Doppelvermietung kann dem Vermieter nicht im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt werden, das Mietobjekt dem anderen Mieter zu überlassen.
Orientierungssatz
Keine einstweilige Verfügung bei Doppelvermietung.
Normenkette
BGB § 535; ZPO § 935
Beteiligte
Rechtsanwälte Dr. Elsner, Zarnekow, Soblik, Dr. Wolter, Rüping und Dr. Hansen |
Rechtsanwälte Dr. Tischler, Dr. Carstensen, Dr. Schulz und Dr. Punke |
Verfahrensgang
LG Kiel (Aktenzeichen 16 O 19/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 21. März 2000 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen III des Landgerichts Kiel geändert.
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Verfügungsklägerin auferlegt.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin (im folgenden: Klägerin) nimmt die Verfügungsbeklagte (im folgenden: Beklagte) auf Sicherung eines Gebrauchsgewährungsanspruches aus einem Mietvertrag in Anspruch.
Mit Datum vom 29. November 1997 unterzeichneten der Geschäftsführer der Klägerin und der Kommanditist der Beklagten, Herr D, einen Mietvertrag über eine rund 500 qm große Gewerbefläche in dem von der Beklagten errichteten Objekt „Epark”. Die Parteien streiten darüber, ob dieser Vertrag wirksam zustande gekommen ist. Durch Urteil vom 17. Februar 2000 hat das Landgericht Kiel in 15 O 171/99 dem Feststellungsbegehren der Klägerin, daß der Mietvertrag wirksam sei, stattgegeben. Die Beklagte hat dieses Urteil mit der Berufung angefochten (4 U 35/00).
Mit Datum vom 02. März 2000 hat die Beklagte die in dem Vertrag vom 17. November 1997 bezeichneten Räumlichkeiten im Rahmen einer Erweiterung des danebenliegenden Ladengeschäfts an die Firma S vermietet.
Mit ihrem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung hat die Klägerin die Herausgabe der auf sie entfallenden rund 500 qm an einen Gerichtsvollzieher als Sequester beantragt und darüber hinaus den Antrag gestellt, der Beklagten zu untersagen, eine andere Ladenfläche an ein unmittelbares Konkurrenzunternehmen zu übergeben und diesem den Betrieb und die Eröffnung des Ladens zu gestatten, nachdem ein entsprechender Mietvertrag mit der Firma „D F” am 19. November 1998 von Seiten der Beklagten geschlossen worden war.
Das Landgericht hat dem Antrag auf Herausgabe an den Gerichtsvollzieher als Sequestor stattgegeben und im übrigen den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Gegen den Ausspruch zur Herausgabe wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie meint weiterhin, daß ein wirksamer Mietvertrag mit der Klägerin nicht geschlossen worden sei. Im übrigen sei bereits am 10. März 2000 eine Übergabe des Ladengeschäfts an die Firma S erfolgt. Die einstweilige Verfügung sei außerdem im Falle der Doppelvermietung kein zulässiges Sicherungsmittel.
Sie beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung in vollem Umfang zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat mit Beschluß vom 29. Mai 2000 die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil gemäß §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO einstweilen eingestellt.
Am 28. Juni 2000 hat die Firma S ihr „I-Geschäft im „Eiderpark” eröffnet.
II. Die Berufung ist begründet.
Es kann offenbleiben, ob zwischen den Parteien ein wirksamer Mietvertrag geschlossen worden ist, denn jedenfalls stellt die einstweilige Verfügung vorliegend kein zulässiges Sicherungsmittel dar (1.). Auch hat die Beklagte hinreichend glaubhaft gemacht, daß sie das Ladengeschäft bereits am 10. März 2000 an die Firma S übergeben hat (2.).
Entgegen bisheriger überwiegender Auffassung (Palandt/Putzo, BGB, 59. Aufl., § 536 Rd. 2; Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 535 Rd. 9 und § 538 Rd. 12; Sternel, Mietrecht, II. 594; Wichert, ZMR 1997, 16 und OLG Düsseldorf, NJW-RR 1991, 137) ist es nicht zulässig, bei einer Doppelvermietung dem Vermieter im Wege der einstweiligen Verfügung die Überlassung des Mietobjekts an den anderen Mieter zu untersagen. Die jüngere Rechtsprechung sieht mit gewichtigen Argumenten die einstweilige Verfügung nicht als zulässiges Sicherungsmittel an. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
Es gilt nämlich nicht der Grundsatz der Priorität des Mietvertragsabschlusses für die Frage, an wen der Vermieter zu übergeben hat (OLG Brandenburg OLGR 1997, 329; OLG Frankfurt/Main ZMR, 1997, 22). Der Schuldner darf selbst entscheiden, welchen Vertrag er erfüllt und bei wem er die größere Gefahr eines Schadensersatzanspruches sieht. Deshalb wird die einstweilige Verfügung auch dann nicht zulässig, wenn der (Erst-)Mieter nur die Herausgabe an einen Sequester begehrt.
Durch die einstweilige Verfügung würde in das Recht des weiteren Interessenten auf Überlassen der Mietsache eingegriffen (OLG Brandenburg a. a. O.; LG München WM 1991, 577). Der Schuldner kann sich indessen bis zur Zwangsvollstreckung entscheiden, an wen er leistet, und der Mieter ist durch den Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter hinre...