Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtsstandsvereinbarung bei gleichzeitiger Begründung der Kaufmannseigenschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Gerichtsstandsvereinbarung gem. § 38 Abs. 1 ZPO kann wirksam in einem Vertrag getroffen werden, der die danach erforderliche Kaufmannseigenschaft begründet; es ist nicht erforderlich, dass die Partei bei Abschluss des Gründungsvertrages bereits Kaufmann gewesen ist.

 

Normenkette

ZPO § 38

 

Verfahrensgang

LG Flensburg (Urteil vom 15.05.2009; Aktenzeichen 7 O 8/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des LG Flensburg vom 15.5.2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Forderungen aus einem Franchisevertrag "im vereinbarten Gerichtsstand" geltend.

Die Klägerin bot der bislang nicht gewerblich tätigen Beklagten nach Vorgesprächen einen "Franchisevertrag für den Vertrieb von Mobilfunk-Produkten" (Anl. K 1, Bl. 26 ff.) an, den sie selbst am 4.3.2003 unterzeichnet hatte. Am 5.3.2003 (Bl. 227) verband sich die Beklagte mit dem nicht beigetretenen Streitverkündeten P zur "A GbR" zum Zweck der Übernahme, der Eröffnung und des Betriebs gewerblicher Telekommunikationsfachgeschäfte (undatierter Gesellschaftsvertrag Anlage B 1, Bl. 140 ff.). Am 5.3.2003 meldeten beide zur Anschrift ... das Gewerbe "Groß- und Einzelhandel mit Mobilfunk, Bürokommunikation und Zubehör" als Neugründung mit Beginn zum 1.4.2003 an (Anl. B 2 und 3, Bl. 145 f.). Am 11.3.2003 unterzeichnete die Beklagte den Franchisevertrag, der u.a. eine Finanzierungsvereinbarung umfasste. In § 19 des Vertrages (Bl. 33) heißt es:

"Gerichtsstand und Erfüllungsort ist der jeweilige Firmensitz der ...".

Im Herbst 2003 eröffnete die Beklagte den mobilcom-Shop und begann ihre Geschäftstätigkeit. Bis Februar 2004 ergaben sich daraus gemäß einer Teilzahlungsvereinbarung vom 9./10.3.2004 (Anlage 2, Bl. 44 ff.) Rückstände von 23.546,91 EUR, deren (vollständige) Rückführung zwischen den Parteien streitig ist. Im Januar 2005 löste die Klägerin das Ladengeschäft - streitig, ob unter Beteiligung der Beklagten - auf.

Die Klägerin hat eine abschließende Zahlung von 73.496,96 EUR verlangt, die sich zusammensetzt aus Forderungen aufgrund von Warenlieferung (44.856 EUR), anteilig zu erstattenden Mietzinsen (10.481,45 EUR), einer Nebenkostenabrechnung 2004 (223,31 EUR) und einem angeblichen Rest aus der Teilzahlungsvereinbarung (18.000 EUR) abzgl. einer Provision für Februar 2005 (63,80 EUR). Zur örtlichen Zuständigkeit des angerufenen LG hat sie sich auf die Gerichtsstandsvereinbarung im Franchisevertrag berufen.

Die Beklagte hat die örtliche Unzuständigkeit des LG gerügt. In der Sache hat sie sich auf teilweise Erfüllung durch weitere Teilzahlungen bzw. Verrechnungen (deren Beweis die Klägerin jeweils vereitelt habe) sowie eine wegen diverser angeblicher Mängel der Mietsache geminderte Miete berufen und insgesamt Verjährung eingewandt.

Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Es hat gemeint, die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 ZPO seien nicht erfüllt. Die Beklagte sei bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung noch nicht Kaufmann gewesen. Das Handelsgewerbe müsse zu diesem Zeitpunkt i.S.v. § 1 Abs. 1 HGB schon betrieben werden; bloße Vorbereitungshandlungen im Rahmen einer "Existenzgründung" genügten nicht. Der gegenteiligen Meinung des OLG Düsseldorf (NJW 1998, 2978), die auch die Klägerin vertritt, sei nicht zu folgen. Diese Auffassung werde dem Wortlaut des § 38 Abs. 1 ZPO nicht gerecht, wonach die Kaufmannseigenschaft bei Abschluss gegeben sein müsse. Daneben widerstreite sie dem Verbraucherschutz. Wer einen Franchisevertrag abschließe und vorher Verbraucher sei, sei nicht schon allein durch die Entscheidung, einen Franchisevertrag abzuschließen, unternehmerisch erfahren und ausgebildet; unternehmerische Kenntnisse erhalte er in aller Regel erst nachher.

Hiergegen wendet sich die Berufung. Sie meint, dass LG habe verkannt, dass die Kaufmannseigenschaft der Beklagten bereits bei Abschluss des Franchisevertrags gegeben gewesen sei. Bereits mit der Gewerbeanmeldung vom 5.3.2003 sei sie nach außen als Kauffrau aufgetreten und habe dokumentiert, ein Gewerbe aufnehmen zu wollen. Solche Vorbereitungsgeschäfte im Außenverhältnis reichten schon. Im Übrigen reiche es entgegen der Auffassung des LG, dass die Kaufmannseigenschaft durch den Vertrag, der die Gerichtsstandsvereinbarung enthält, erst begründet wird. Wenn die alsbaldige Entfaltung zu einem vollkaufmännischen Betrieb bevorstehe, gehöre auch die Vorbereitungstätigkeit selbst schon zum Gewerbebetrieb, weshalb auch ein in der Entwicklung befindlicher Betrieb als vollkaufmännischer Betrieb anzusehen sei.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des LG Flensburg vom 15.6.2009 (7 O 8/08) den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Flensburg zurückzuverweisen (§ 538 Ab...

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