Leitsatz (amtlich)
1. Wer vom Parkplatz auf die Straße einfährt, ist auch dann nicht von den erhöhten Sorgfaltspflichten des § 10 StVO entbunden, wenn sich auf der bevorrechtigten Straße eine Fußgängerampel befindet, deren Rotlicht den Verkehr sperrt.
2. Die Zeichengebung einer Ampel an einer Fußgängerfurt dient nur dem Schutz des dortigen Fußgängerverkehrs, nicht aber der Regelung der Verkehrsverhältnisse zur Einfahrt in die Straße.
Normenkette
StVO § 10
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 13.03.2022; Aktenzeichen 5 O 115/21) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 13. März 2022 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Lübeck ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem Verkehrsunfall am 17. Dezember 2019 in O.
Der Kläger fuhr gegen 15:20 Uhr mit einem PKW (amtliches Kennzeichen H...) vom Parkplatz eines Discounters auf die Straße M. Dort kollidierte er mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1 (amtliches Kennzeichen R..., haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 2), das gegen die rechte Seite des klägerischen Fahrzeugs fuhr. Von der Ein-/Ausfahrt zum Parkplatz aus Sicht des Klägers gesehen rechts befindet sich eine Fußgängerampel. Wegen der Einzelheiten der Unfallkonfiguration wird Bezug genommen auf die als Anlage zu Protokoll genommenen Fotos.
Der Kläger hat neben Sachverständigenkosten in Höhe von 946,74 EUR fiktive Reparaturkosten in Höhe von 5.829,28 EUR, eine merkantile Wertminderung von 400 EUR und eine Kostenpauschale von 25 EUR, jeweils zuzüglich Zinsen, sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten geltend gemacht. Er hat behauptet, die Beklagte zu 1) habe die auf der Straße M. befindliche Ampel bei für sie roten Ampellicht passiert.
Das Landgericht hat nach Anhörung des Klägers und der Beklagten zu 1) sowie nach Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung) die Klage abgewiesen. Der Kläger habe nicht beweisen können, dass die Beklagte zu 1) die Ampel bei Rotlicht passiert habe. Die Angaben der vernommenen Zeugin seien widersprüchlich gewesen, zudem leide sie unter Vergesslichkeit und weise eine GdB von 80% auf. Allein mit den Angaben in der persönlichen Anhörung habe der Kläger den Beweis nicht zu führen vermocht.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil nebst darin enthaltener Verweisungen Bezug genommen.
Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung und verfolgt seine erstinstanzlichen Ansprüche weiter. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass die vernommene Zeugin schwerbeschädigt und deshalb überfordert gewesen sei. Sie habe aber mehrfach bestätigt, dass die Fußgängerampel grünes Ampellicht gezeigt habe. Der Kläger beruft sich zudem auf erstinstanzlich mit n.n. weiter benannte Zeugen. Hier hätte das Landgericht einen Hinweis zur Beibringung erteilen müssen. Auch die Angaben der Beklagten zu 1) zum Unfall gegenüber der Polizei seien nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil.
Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Gemäß § 513 ZPO kann die Berufung nur auf eine Rechtsverletzung oder darauf gestützt werden, dass die gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigenden Feststellungen ein anderes als das landgerichtliche Ergebnis rechtfertigen. Beides liegt nicht vor. Denn das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung die auf Zahlung restlichen Schadensersatzes gerichteten Klage zu Recht abgewiesen.
Der Kläger hat keinen Anspruch aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 StVG, 115 Abs. 1 VVG gegen die Beklagten.
Im Rahmen der bei einem Verkehrsunfall zweier Kraftfahrzeuge erforderlichen Abwägung gemäß § 17 Abs. 1 StVG ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, insbesondere darauf, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge sind unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr nur unstreitige bzw. zugestandene und bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Jeder Halter hat dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er für die nach § 17 Abs. 1 u. 2 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will (vgl. BGH, NZV 1996, S. 231).
Nach diesem Maßstab hat der Kläger die Haftung für den Unfall voll zu tragen.
Der Kläger hat vorliegend einen Verstoß gegen § 10 StVO begangen. Hiernach hat, wer aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2), aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1 und 325.2) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom F...