Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten, solange Schenkung nicht bewiesen ist. Pflichtteil. Wertermittlungsanspruch auf Kosten des Nachlasses. Beweislast bei behaupteter Schenkung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Berechnung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs gelten Rechtsverhältnisse, die in Folge des Erbgangs durch Vereinigung von Forderung und Verbindlichkeit erloschen sind, entsprechend den §§ 1976, 2143, 2377 BGB als nicht erloschen.

2. Macht der Pflichtteilsberechtigte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend, muss er zunächst die (ggf. gemischte) Schenkung als solche beweisen, bevor er einen Wertermittlungsanspruch auf Kosten des Nachlasses hat. Die Bestimmung des § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB dient nicht zur Erleichterung einer Beweisführung der Zugehörigkeit eines einem dritten überlassenen Gegenstandes zum fiktiven Nachlass.

 

Normenkette

BGB §§ 2311, 2314, 242

 

Verfahrensgang

LG Flensburg (Urteil vom 12.05.2005; Aktenzeichen 3 O 426/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12.5.2005 verkündete Teilurteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Flensburg teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, Auskunft über den Bestand des Nachlasses der am 9.4.2003 verstorbenen A. zu erteilen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung über die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Des Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

1. Dem Kläger steht ein Wertermittlungsanspruch gem. § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB hinsichtlich des Flurstücks 49/1 der Flur 2 der Gemarkung B. durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens auf Kosten des Nachlasses nicht zu.

Entgegen der Auffassung des LG ist der Wert des Grundstück für die Berechnung des ordentlichen Pflichtteils gem. § 2303 Abs. 1 BGB ohne Belang. Zwar war dieses Flurstück im Erbfall noch im Nachlass vorhanden, weil zu Lebzeiten der Erblasserin lediglich die Auflassung erklärt worden war, nicht aber die für den Eigentumsübergang auch erforderliche Umschreibung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB) vorgenommen war. Es war deshalb Bestandteil des Nachlasses. Weil das Grundstück zu den Nachlassgegenständen gehört, sind deshalb dem Wortlaut nach auch die Voraussetzungen eines Wertermittlungsanspruchs gem. § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB gegeben.

Gleichwohl kann ein Wertermittlungsgutachten nicht auf Kosten des Nachlasses verlangt werden. Ein solches Verlangen wäre rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), weil der Sinn und Zweck des Wertermittlungsanspruchs lediglich darin besteht, dem Pflichtteilsberechtigten auf Kosten des Nachlasses die Informationen zukommen zu lassen, die ihn in die Lage versetzen, seinen Pflichtteilsanspruch berechnen und beziffern zu können. Dafür ist vorliegend der Wert des Grundstücks ohne Bedeutung.

Zwar gehörte das Grundstück, weil eine Umschreibung im Grundbuch im Zeitpunkt des Erbfalls auf den Beklagten noch nicht erfolgt war, zum Aktivnachlass und wäre daher an sich mit dem vollen Verkehrswert bei der Pflichtteilsberechnung in Ansatz zu bringen (§ 2311 Abs. 1 BGB). Daran ändert sich, wie der Beklagte in dem ihm nachgelassenen Schriftsatz vom 17.7.2006 mit Recht geltend gemacht hat, auch nicht deshalb etwas, weil in Folge des Erbgangs der Eigentumsverschaffungsanspruch des Beklagten durch Konfusion erloschen ist, weil bei der Berechnung der Höhe eines Pflichtteilsanspruchs Rechtsverhältnisse, die in Folge des Erbgangs durch Vereinigung von Forderung und Verbindlichkeit erloschen sind, entsprechend den §§ 1976, 2143, 2377 BGB als nicht erloschen gelten (BGH DNotZ 1978, 487; Staudinger/Haas, 13. Aufl., § 2311 Rz. 15).

Entscheidend ist, dass bei der Bewertung des Nachlasses als Nachlassverbindlichkeit aber außerdem der Eigentumsverschaffungsanspruch des Beklagten aus §§ 1, 5 des notariellen Vertrages vom 24.3.1992 als Passivposten des Nachlasses nach § 2311 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen wäre. Dessen Wert ist gleichwertig mit dem im Erbfall noch nicht umgeschriebenen Grundstück, sodass sich im Ergebnis der Aktivposten (Grundstück) und der Passivposten (Verbindlichkeit zur Übertragung des Grundstücks auf den Beklagten) ausgleichen und im Rahmen der Pflichtteilsberechnung somit nicht zu Buche schlagen (BGH v. 10.11.1982 - IVa ZR 29/81, BGHZ 85, 274 [278, 279] = MDR 1983, 294).

2. Der Kläger kann die Wertermittlung des Grundstücks auch nicht gem. § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB in analoger Anwendung zur Berechnung seines Pflichtteilsergänzungsanspruchs gem. § 2325 Abs. 1 S. 2 BGB verlangen.

a) Zwar scheidet entgegen der Auffassung des LG ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht von vornherein aus, weil eine etwaig im Vertrag vom 24.3.1992 enthaltene gemischte Schenkung hinsichtlich des Flurstücks 49 im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin noch nicht vollzogen gewesen ist. War das Schenkungsversprechen ...

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