Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltshaftung wegen verspäteter Deckungsanfrage
Leitsatz (amtlich)
1. Die verspätete oder unvollständige Deckungsanfrage bei einer Rechtsschutzversicherung kann den Rechtsanwalt zu einem Schadensersatz verpflichten.
2. Die Frage, wie eine Rechtsschutzversicherung nach § 18 ARB 94 bei rechtzeitiger und vollständiger Deckungsanfrage entschieden hätte, hat das Regressgericht - ohne Vorliegen besonderer Umstände - nach der hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten oder erhobenen Klage zu beurteilen, und zwar entsprechend den zu § 114 ZPO entwickelten Grundsätzen.
3. Die Vereinbarung eines Stichentscheides nach § 17 Abs. 2 ARB 75 muss rechtzeitig im Prozess vorgetragen werden.
4. Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens kann durch die Nichtbeachtung früherer und späterer Belehrungen des Rechtsanwaltes widerlegt werden.
Normenkette
BGB § 280; ARB-94 § 18 Abs. 1b; ARB-75 § 17 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 18.01.2007; Aktenzeichen 6 O 276/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten gegen das am 18.1.2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Lübeck in der berichtigten Fassung vom 5.3.2007 wird das angefochtene Urteil teilweise geändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 32.001,71 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger nehmen den Beklagten wegen vermeintlicher Schlechterfüllung seiner anwaltlichen Pflichten auf Schadensersatz in Anspruch. Das LG hat der Klage mit Urteil vom 18.1.2007 (...) in der berichtigten Fassung vom 5.3.2007 teilweise stattgegeben. Dagegen richten sich die form- und fristgerecht eingelegten (...) und begründeten (...) Berufungen der Parteien.
Der Beklagte beantragt,
1. das angefochtene Urteil zu ändern und die darin tenorierten Klageansprüche restlos abzuweisen, hilfsweise ihm - dem Beklagten - die Vollstreckungsabwehr durch Beibringung einer Bürgschaft nach § 108 Abs. 1 ZPO zu gewähren,
2. die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
Die Kläger beantragen,
1. den Beklagten zu verurteilen,
- an sämtliche Kläger als Gesamtgläubiger 26.268,22 EUR zzgl. Verzugszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 3.905,95 EUR ab dem 21.7.2004, auf 7.557,74 EUR ab dem 2.9.2004, auf 8.185,22 EUR ab dem 17.1.2005, auf 1.142,59 EUR ab dem 12.3.2005 und auf 3.788,79 EUR ab dem 1.5.2005 zu zahlen,
- an die Kläger zu 1. und 2. als Gesamtgläubiger 5.733,49 EUR zzgl. Verzugszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 1.230,33 EUR ab dem 2.9.2004, auf 1.332,48 EUR ab dem 17.1.2005, auf 878,91 EUR ab dem 12.3.2005 und auf 2.023,02 EUR ab dem 2.5.2005 zu zahlen,
abzgl. der bereits im angefochtenen Urteil zugesprochenen Beträge, hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, die Zahlungen zu 1.a) und b) Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Kläger gegen die A-Rechtsschutzversicherungs-Aktiengesellschaft auf Übernahme der Kosten zu leisten,
2. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das angefochtene Urteil und die von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Akte 6 O 214/00 des LG Lübeck ist beigezogen und das darin enthaltene Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Schleswig vom 3.2.2004 (...) ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Der Schriftsatz der Kläger vom 27.12.2007 und der Schriftsatz des Beklagten vom 2.1.2008 haben vorgelegen.
II. Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg, die zulässige Berufung der Kläger dagegen nicht.
Die Kläger haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Schlechterfüllung seiner anwaltlichen Pflichten.
Es kann offen bleiben, ob die Kläger den Beklagten beauftragt hatten, eine Deckungszusage der A-Rechtsschutzversicherungs-Aktiengesellschaft (im Folgenden: A) einzuholen und ob der Beklagte seine Pflichten bei der Ausführung dieses Auftrags verletzt hat. Eine etwaige dahingehende Pflichtverletzung ist jedenfalls nicht ursächlich für den Schaden der Kläger geworden, weil sie einen Anspruch auf Rechtsschutz allenfalls in dem Umfang gehabt hätten, in dem sie in dem Rechtsstreit gegen die Käufer des Resthofs B - obsiegt haben, und die darauf entfallenden Kosten ohnehin nicht von ihnen zu tragen waren. Ein Anspruch auf weitergehenden Rechtsschutz (im Folgenden nur noch: Rechtsschutz) hätte nur dann bestanden, wenn die Rechtsverfolgung der Kläger gegen die Käufer B insgesamt hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt hätte (vgl. § 18 Abs. 1b) ARB 94 und Prölss/Martin, 16. Aufl., § 1 Rz. 2). Die Erfolgsaussicht war nach den zu § 114 ZPO entwi...