Entscheidungsstichwort (Thema)

Reitbeteiligung: Wirksamkeit eines vereinbarten Haftungsauschlusses betreffend Ansprüche aus Tierhalterhaftung gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein im Rahmen der Eingehung einer Reitbeteiligung vereinbarter Haftungsausschluss betreffend Ansprüche aus Tierhalterhaftung (§ 833 BGB) ist nicht deshalb unwirksam, weil er dem gesetzlichen Krankenversicherer im Falle des Forderungsübergangs nach § 116 SGB X den Regress gegenüber dem Tierhalter vereitelt. Dies gilt auch dann, wenn der Tierhalter selbst eine private Tierhalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen hat.

 

Normenkette

BGB §§ 138, 833; SGB X § 116

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 19.10.2022; Aktenzeichen VI ZR 105/21)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 25.09.2020, Az. 4 O 401/19, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Kiel sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jedoch kann die Klägerin die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt aus übergegangenem Recht nach § 116 SGB X von der Beklagten die Erstattung von Heilbehandlungskosten aus Anlass eines Reitunfalls ihrer Versicherungsnehmerin (im Weiteren: Zeugin X.) mit dem Pferd der Beklagten.

Die Klägerin war gesetzlicher Krankenversicherer der Zeugin X.. Die Beklagte war Halterin des Pferdes "D.", eines Freizeitpferdes. Für dieses hatte sie eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen, weil dieses sich zunächst in einem Beritt befand und hierfür eine Versicherung vorgeschrieben war; abgedeckt waren hierbei auch Reitunfälle. Nach dessen Beendigung vereinbarten die Beklagte und die Zeugin X. im Sommer 2015 eine sogenannte Reitbeteiligung, welche so ausgestaltet war, dass diese das Pferd uneingeschränkt und unentgeltlich nutzen konnte, wobei weder eine Verpflichtung zum Reiten noch zur Versorgung des Pferdes bestand. Den Unterhalt und die Versorgung des Pferdes finanzierte und organisierte allein die Beklagte, die dieses selbst aufgrund ihres Alters nicht mehr ritt.

Auf Veranlassung der Tierhalterhaftpflichtversicherung der Beklagten und auch, weil diese sich "um nichts kümmern" wollte, vereinbarten die Beklagte und die Zeugin X. am 01. Juli/14. Juli 2015 eine "Haftungsverzichts-Erklärung" (Anlage 1, Bl. 49 d.A.), in welcher es unter den Ziffern 1. und 2. wie folgt heißt:

"1. Die Reitbeteiligung verzichtet auf Ansprüche gegen den Eigentümer aus § 833 BGB wegen aller ihr durch das Pferd (Name: ...) verursachten Personen-, Sach-und Vermögensschäden.

2. Die Reitbeteiligung stellt den Eigentümer im Innenverhältnis von Ansprüchen Dritter frei, insbesondere von Ansprüchen ihrer Kranken- und Sozialversicherung."

Über die Versicherung der Beklagten hatten sie zu keinem Zeitpunkt gesprochen, denn der Zeugin X. war - wie sie vor dem Senat dargestellt hat - allein daran gelegen, selbst eine Haftpflichtversicherung zu haben.

Am 28. November 2015 gegen 10:10 Uhr ritt die Zeugin X., die seit ihrem 6. Lebensjahr Reiterfahrung auf verschiedenen Pferden gesammelt hatte, im Reit- und Fahrstall Y. das Pferd der Beklagten im Trab. Als ein Fahrzeug an der Reithalle vorbei und durch eine Pfütze fuhr, prasselte nach Darstellung der Zeugin X. Wasser gegen die Wände der Halle, wodurch das Pferd scheute. Die Zeugin X., die zuvor nie von "D." gefallen war, konnte sich zwar zunächst noch auf dem Pferd halten, kam dann aber über die rechte Schulter zu Fall und zog sich dabei eine Fraktur des Lendenwirbelkörpers 1 zu. Diese Verletzung machte stationäre Krankenhausbehandlungen vom 28. November bis 9. Dezember 2015, vom 26. Mai bis 3. Juni 2016 und 22. August bis 1. September 2016 sowie ambulante ärztliche Nachbehandlungen nebst Verordnungen von Hilfs- und Heilmitteln erforderlich. Die Kosten hierfür trug die Klägerin und zahlte zudem auch für die Zeiträume vom 23. Januar bis 27. Mai sowie vom 22. August bis zum 30. Dezember 2016 Krankengeld. Ihre Aufwendungen in Höhe von insgesamt 40.647,91 EUR machte die Klägerin gegenüber der Haftpflichtversicherung der Beklagten geltend, welche diese unter Hinweis auf den Haftungsverzicht mit Schreiben vom 21. April 2017 zurückwies.

Die Klägerin hat behauptet, die geltend gemachten Behandlungskosten seien erforderlich gewesen und auch ursächlich auf den streitgegenständlichen Reitunfall zurückzuführen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der zwischen der Beklagten und der Zeugin X. vereinbarte Haftungsverzicht sei ihr gegenüber als gesetzlicher Krankenversicherung und damit Sozialversicherungsträgerin nicht wirksam. Da sie gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin zur Übernahme der Behandlungskosten und zur Zahlung von Krankengeld verpflichtet sei, könne ihr durch einen privatrechtlichen Haftungsverzicht n...

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