Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausgleichspflicht des früheren Betreibers einer Hausmülldeponie nach § 24 BBodSchG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Feststellungsklage betreffend die Ausgleichspflicht eines Sanierungspflichtigen nach § 24 Abs. 2 BBodSchG setzt weder die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen noch die vorherige behördliche Heranziehung eines Sanierungspflichtigen voraus. Für das Feststellungsinteresse des Grundstückseigentümers ggü. dem Handlungsstörer reicht es aus, wenn eine baurechtliche Nutzungsänderung wegen planerischer Vorarbeiten der Gemeinde jedenfalls möglich erscheint und für diesen Fall ein Sanierungsbedürfnis mit großer Wahrscheinlichkeit entsteht.

2. Hat eine Gemeinde auf einem gepachteten Grundstück eine Hausmülldeponie betrieben, so ist sie unter analoger Heranziehung der Ursachenvermutung aus § 6 I UmweltHG als pflichtige Handlungsstörerin i.S.d. §§ 4, 24 BBodSchG anzusehen, wenn sich die Schadstoffbelastung, aus der die Sanierungsnotwendigkeit resultiert, innerhalb der Spannweite von Befunden hält, die bei nach damaligem Stand betriebenen Hausmülldeponien zu erwarten sind. Der Grundstückseigentümer wird weder durch die Verpachtung an die Gemeinde zu dem genannten Zweck noch durch eine gelegentliche Mitnutzung der von der Gemeinde auf seinem Grundstück betriebenen Hausmülldeponie zum weiteren Handlungsstörer im Sinne dieser Normen.

 

Normenkette

BBodSchG §§ 4, 24; UmweltHG §§ 6-7

 

Verfahrensgang

LG Itzehoe (Urteil vom 01.07.2004; Aktenzeichen 8 O 388/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 1.7.2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des LG Itzehoe geändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern sämtliche Kosten, die diesen im Zusammenhang mit einer nach den Vorschriften des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG) erforderlichen Sanierung ihrer nachfolgend bezeichneten Grundstücke entstehen, zu erstatten oder die Kläger von den Kosten freizuhalten, und zwar soweit es um die ehemalige Hausmülldeponie der Beklagten geht und soweit die Sanierung erforderlich ist, um eine gemischte Wohn- und Gewerbenutzung zu ermöglichen:

1. Grundbuch von ... Blatt 10079, Gemarkung ..., Flur 5, Flurstück 13/8,

2. Grundbuch von ... Blatt 10098, Gemarkung ..., Flur 5, Flurstück 13/10.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Kläger gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

 

Gründe

I. Die Kläger begehren die Feststellung von Ausgleichsansprüchen nach § 24 Abs. 2 S. 1 Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG).

Die Kläger erwarben mit Kaufvertrag vom 14.3.1991 von der I-GmbH i.L., Pinneberg - bis zum 17.12.1975 als R-GmbH firmierend - zum Preis von 12,5 Mio. DM (UR-Nr. 1091/91 des Notars Dr. ...) ein u.a. im Grundbuch von ... Blatt L 10097 und L 10098 eingetragenes und zum Teil am Fluss "M" belegenes Grundvermögen, welches die R-GmbH jedenfalls hinsichtlich der Flurstücke 13/8 und 13/10 - seinerzeit noch in den unaufgeteilten Flurstücken 13/4 und 13/5 enthalten - von dem Kaufmann B am 23.6.1958 zu UR-Nr. 1063/1958 des Notars ... erworben hatte. Zumindest die heutigen Flurstücke 13/8 und 13/10, möglicherweise aber auch die Flurstücke 13/9 und 13/11 sowie benachbarte Grundstücke - der genaue Umfang ist streitig, wurden von der Beklagten zumindest in den Jahren 1958 bis 1962 als Hausmülldeponie genutzt. Dies geschah im Verhältnis zum Voreigentümer B - wie ein Schriftwechsel vom 12.5./16.5.1958 (BV 7, BV 8) zeigt - mit dessen Einverständnis, auf welches § 4 Satz 2 und 3 des Vertrages vom 23.6.1958 (BV 5) wie folgt verweist:

"Die Stadt ... füllt das Gelände mit Müll und Schutt auf, ohne dass hierüber vertragliche Feststellungen bestehen. Der Grundeigentümer ist jederzeit zur Einstellung der Anfuhr berechtigt."

Ein weiterer Bereich - die heutigen Flurstücke 13/14 und 13/15 - wurde aufgrund eines im Berufungsrechtszug vorgelegten Verfüllungsvertrages mit der Firma G. vom 14.8.1959 (BV 2) ebenfalls von der Beklagten genutzt. Im angrenzenden Bereich, welcher Teil des mit Kaufvertrag vom 14.3.1991 von den Klägern erworbenen Grundvermögens ist, betrieb die R-GmbH - später I-GmbH - eine Motorenfabrik einschließlich Gießerei und Lackiererei, ließ diese aber später auch zum Teil durch andere Firmen und Gesellschaften betreiben. Auf dem Industriegelände existierten eine Vielzahl von Öltanks für Benzin, zum Teil auch unterirdisch. In § 7 des erwähnten Kaufvertrages vom 14.3.1991 (B 2) hatten die Kläger als Käufer erklärt, dass ihnen bekannt sei,

"dass die Grundstücke für den Betrieb einer Motorenfabrik einschließlich Gießerei und Lackiererei benutzt wurden. Nähere Einzelheiten über die Arten der Nutzung der Lagerstätten für Material und der Versorgungseinrichtungen ergeben sich aus dem diesem Vertrag beigefügten Objektpla...

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