Leitsatz (amtlich)
Dem Abtretungsempfänger zuzurechnende Kenntnis des Abtretenden von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gem. § 166 Abs. 1 BGB
Normenkette
BGB § 166 Abs. 1; InsO § 17 Abs. 2 S. 1, § 129 Abs. 1, § 142 Abs. 1, § 143 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 10. September 2020, Az. 6 O 161/19, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 53.843,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Mai 2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Rückgewähr von Leistungen auf eine abgetretene Forderung nach Insolvenzanfechtung.
Die A. Vertrieb GmbH (im Weiteren: Schuldnerin) ist Teil der A.-Unternehmensgruppe, die Räucherfisch produziert und vertreibt. Die Unternehmensgruppe besteht neben der Schuldnerin und der A. Service GmbH, beide mit Sitz in Deutschland, aus zwei für die Produktion zuständigen Unternehmen in Polen beziehungsweise der Türkei.
Über das Vermögen der A. Service GmbH wurde im Jahr 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Schuldnerin übernahm daraufhin den wesentlichen Teil der Geschäftstätigkeit der A. Service GmbH. Nach dem Jahresabschluss für das Geschäftsjahr Mai 2013 bis April 2014 betrug das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Schuldnerin 0,52 % ihrer Umsatzerlöse. Ziel der Schuldnerin für das Geschäftsjahr 2014/2015 war es, die Umsatzrentabilität auf 5 bis 7 % zu steigern. Im Rahmen eines Factoringverhältnisses hatte die Schuldnerin alle zukünftigen Forderungen gegen ihre Kunden an die B. GmbH abgetreten.
Am 24. November 2014 schloss die Schuldnerin auf Vermittlung des Beraters L. mit der C. AG (im Weiteren: C. AG), einem Dienstleister im Bereich der Mittelstandsfinanzierung, einen Rahmenvertrag (Anlage K10, Anlagenband Kläger Teil V), in dem sich die C. AG verpflichtete, auf Anforderung der Schuldnerin Waren oder Investitionsgüter zu erwerben und an diese mit einem vereinbarten Zahlungsziel von 60 Tagen weiter zu veräußern. Die C. AG räumte der Schuldnerin ein Bestelllimit von 100.000 Euro ein. Für ihre Tätigkeit erhielt die C. AG ein Prolongationsentgelt von 1,65 % zuzüglich Umsatzsteuer der Bruttoforderungssumme sowie weitere 3 % Ausgleichsgebühren zuzüglich Umsatzsteuer auf die Bruttoforderungssumme. Die C. AG, der die Angaben betreffend die Umsatzrentabilität der Schuldnerin im Jahr 2013/2014 bekannt waren, machte den Vertragsschluss zunächst vom Abschluss einer als Drei-Parteien-Vereinbarung bezeichneten Übereinkunft zwischen ihr, der B. GmbH und der Schuldnerin abhängig, nach der die B. GmbH zugunsten der C. AG auf ihre Rechte aus der Vorausabtretung der factorierten Forderungen verzichten sollte. Nachdem die B. GmbH dies im Januar 2015 abgelehnt hatte, teilte die C. AG der Schuldnerin mittels durch Herrn L. weitergeleiteter E-Mail (Anlage K14, Anlagenband Kläger V) mit, dass die Geschäftsverbindung auch ohne Drei-Parteien-Vereinbarung fortgesetzt werden könne, wenn die Forderungen pünktlich gezahlt würden. Anderenfalls werde bei der C. AG niemand für eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung begeistert werden können.
Die C. AG hatte im August 2014 ihrerseits einen Factoringvertrag mit der Beklagten geschlossen, in dem sie sich verpflichtet hatte, ihre künftig entstehenden Forderungen aus Warenlieferungen oder Leistungen der Beklagten zum Kauf anzubieten und ihr bereits im Voraus abzutreten. Als Gegenleistung sollte die Beklagte einem bei ihr geführten Konto der C. AG den Bruttobetrag der Forderung abzüglich einer Factoringgebühr und Zinsen gutschreiben. Weiter lautet der Vertrag (Anlage B2, Bl. 256 ff. d.A.), in dem die Beklagte als Factor und die C. AG als Firma bezeichnet wird, auszugsweise:
"7.1 Dem Factor obliegen Mahn- und weitergehende Rechtsverfolgungsmaßnahmen für alle angekauften und abgetretenen Forderungen. Hiervon ausgenommen sind die Fälle der Ziffer 6.4 (Debitor erhebt von der Firma nicht anerkannte schlüssige Einreden oder Einwendungen gegen eine Forderung). ...
...
11.1 Die Firma verpflichtet sich, jede vom Factor geforderte Unterstützung zur Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber Debitoren nach besten Kräften unverzüglich zu gewähren, insbesondere durch Auskunftserteilung, Überlassung von Unterlagen sowie Abgabe aller Erklärungen, die ggf. zur Durchsetzung erforderlich sind. ..."
Bestandteil des Factoringvertrags waren die Allgemeinen Fac...