Leitsatz (amtlich)
1. Im Falle der irrtümlich fehlerhaften Ausführung eines Überweisungsauftrags (Zuvielüberweisung) findet der bereicherungsrechtliche Ausgleich im Verhältnis zwischen der Bank und dem Zahlungsempfänger statt. Die Bereicherung tritt im Moment der Gutschrift des rechtsgrundlos überwiesenen Betrages ein.
2. Hat der Kontoinhaber einem anderen die Benutzung seines Girokontos zur Abwicklung eigener Geldgeschäfte gestattet und ihm zu diesem Zwecke eine Kontovollmacht erteilt, so muß er sich bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung (§§ 818, 819 BGB) dessen Bösgläubigkeit entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen.
Orientierungssatz
Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einer Zuvielüberweisung
Normenkette
BGB § 166 Abs. 1, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, §§ 818-819
Beteiligte
Rechtsanwälte Dr. Elsner, Zarnekow, Soblik, Dr. Wolter, Rüping und Dr. Hansen |
Rechtsanwälte Dres. Tischler, Carstensen, Schulz und Punke |
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 24.09.1998; Aktenzeichen 9 O 231/98) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 24. September 1998 – 9 O 231/98 – geändert:
Die Beklagte wird unter Aufrechterhaltung des Teil-Versäumnisurteils des Landgerichts O vom 13. Juli 1995 – 4 O 877/95 – verurteilt, wie eine Gesamtschuldnerin mit T an die Klägerin 97.291,49 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 3. November 1992 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Mehrkosten, die durch die Anrufung des örtlich unzuständigen Landgerichts Oldenburg entstanden sind. Diese fallen der Klägerin zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 145.000 DM, die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7.500 DM abwenden, wenn nicht der jeweilige Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert der Beschwer beträgt für die Beklagte 97.291,49 DM.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte als Kontoinhaberin aufgrund einer versehentlichen Zuvielüberweisung an einen Dritten in Anspruch.
Die Beklagte eröffnete Anfang 1986 ein Girokonto bei der Landessparkasse zu Oldenburg (im folgenden: LzO). Ihrem damaligen Lebensgefährten, T, erteilte sie Kontovollmacht mit uneingeschränkter Verfügungsbefugnis. In der Folgezeit gingen zahlreiche Gutschriften zu seinen Gunsten auf dem Konto der Beklagten ein. Die Beklagte kontrollierte den Zahlungsverkehr nicht, sondern verabredete lediglich mit der LzO ein Verbot der Kontoüberziehung. Auch die Kontoverwaltung erledigte T.
Dieser war gemeinsam mit seinem Bruder J Mitglied einer Erbengemeinschaft. Zum Nachlaß gehörte ein Hausgrundstück in der tschechischen Stadt N. Dieses Grundstück wurde 1992 im Zuge der Erbauseinandersetzung für 10 Mio. Tschechische Kronen verkauft. T stand aus diesem Kaufpreis gemäß seinem Erbteil von 1/12 der Betrag von 833.333 Tschechischen Kronen zu.
Um den erbrechtlichen Anspruch zu erfüllen, erteilte J im September 1992 der Klägerin einen Überweisungsauftrag über 833.333 Tschechische Kronen, was unter Zugrundelegung des damaligen Umrechnungskurses 43.698 DM entsprach. Die Klägerin überwies aufgrund eines Versehens ihres Mitarbeiters an T auf das Konto der Beklagten einen Betrag in Höhe von 833.333DM. Der Überweisungsauftrag wurde im mehrgliedrigen Zahlungsverkehr unter Einschaltung der Landesbank Berlin abgewickelt. Nach dem die Klägerin ihren Irrtum bemerkt hatte, widerrief sie ihren Zahlungsauftrag gegenüber der Landesbank mit Schreiben vom 29. September 1992 (Bl. 18 der Akten), das diese an die LzO weiterleitete. Mit Schreiben vom 3. November 1992 (Bl. 19 der Akten) teilte die LzO der Landesbank mit, daß der Kunde T zu einer Rücküberweisung des Differenzbetrages nicht bereit sei. Mit Schreiben vom 4. Dezember 1992 (Bl. 20 f. der Akten) wiederholte die Klägerin ihr Anliegen gegenüber der LzO und erhielt daraufhin das Schreiben vom 28. Dezember 1992 (Bl. 22 der Akten), mit dem die LzO mitteilte, der Kunde T habe sie zu einer Rücküberweisung von 789.635 DM nicht ermächtigt. Erst nachdem T doch seine Zustimmung erteilte hatte, wurde im Juli 1994 ein Teilbetrag in Höhe von 692.343,51 DM an die Klägerin zurückgeführt. Den darüber hinausgehenden Betrag von 97.291,49 DM, der Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, hatte T bereits im Jahre 1993 – u. a. für Urlaubsreisen – ausgegeben. Er wurde mit rechtskräftigem Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 13. März 1998 – 6 U 235/97 – zur Rückzahlung des Differenzbetrages verurteilt. Wegen weiterer Einzelheiten des Urteils wird auf Bl. 355 ff. der Akten (im Anlageheft) Bezug genommen.
Die LzO trat mögliche Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin ab (Bl. 31-32 der Akten).
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe noch im Jahre 1992 mit ihrem Lebensgefährten T eine gemeinsame Wohnung in O gehabt. Der Beklagten sei aus dieser Lebensgemeinschaft heraus die Fehlerhaftigkeit der Überweisung bekannt gewesen...