Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG, wenn von einem Traktor beim Verdichten von Grassilage Diesel austritt.
Leitsatz (amtlich)
1. Der Gefährdungshaftung nach § 7 Abs. 1 StVG steht grundsätzlich nicht entgegen, dass sich der Unfall auf einem Privatgelände ereignet hat.
2. Das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG ist entsprechend dem Schutzzweck grundsätzlich weit auszulegen. Es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist. Die Gefährdungshaftung entfällt nur dann, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion keine Rolle mehr gespielt hat und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt worden ist oder bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat.
3. Mit dem Verlust von Diesel aus einem Traktor während der Überfahrt über ein Silagesilo hat sich die fahrzeugspezifische Gefahr von Verbrennungsmotoren verwirklicht.
4. Es liegt kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nach §§ 9 StVG, 254 BGB vor, wenn auch nur geringfügig mit Dieselkraftstoff verunreinigte Grassilage nicht mehr als Futtermittel verwertet, sondern für nur 5 EUR/t. an einen Biogasanlagenbetrieb verkauft wird.
Normenkette
BGB § 254 Abs. 2; StVG §§ 18, 7; VVG § 115
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 15.12.2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Kiel teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Das am 28.07.2016 verkündete Versäumnisurteil wird teilweise aufgehoben und die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 24.106,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Mai 2015 sowie weitere 1.242,84 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. Dezember 2015 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt das Versäumnisurteil aufrechterhalten.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 40 % und der Kläger 60 % mit Ausnahme der durch die Säumnis des Klägers im Termin am 28.07.2016 entstandenen Kosten, welche dem Kläger auferlegt werden.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des aufgrund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen einer durch Diesel verunreinigten Grassilage.
Mit einem neuwertigen Schlepper der Marke "Massey Ferguson 8690 DTV" (gekauft im Juli 2014) mit dem amtl. Kz. xxx, der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, führte der Beklagte zu 1) als landwirtschaftlicher Lohnunternehmer am 28. April 2015 Arbeiten für den Kläger aus. Seine Aufgabe war es zunächst, das Grasland zu mähen und den Ertrag von ca. 42 ha in das Fahrsilo des Klägers zu bringen. Um dieses zu verdichten, befuhr er anschließend mit dem Schlepper das Fahrsilo. Hierbei löste sich an dem Schlepper ein Treibstoffschlauch, weshalb etwa 40 - 60 Liter Dieselkraftstoff austraten. Dies wurde erst erkannt, als der Schlepper das Fahrsilo verließ und auf einem angrenzendem Betonuntergrund abgestellt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die Befüllung des Fahrsilos fast abgeschlossen. Die kontaminierte Silage wurde bis Anfang Mai 2017 noch bevorratet. Es gelang dem Kläger anschließend, die Silage (674,62 t.) zum Preis von 5,00 EUR/t. an den Betreiber einer Biogasanlage in G. V. zu veräußern (brutto 3.734,02 EUR).
Der Kläger hat behauptet, durch den ausgetretenen Dieselkraftstoff sei ein Schaden in Höhe von 59.177,55 EUR entstanden. Zur Begründung hat er auf eine Berechnung einer landwirtschaftlichen Unternehmensberatung Bezug genommen, die den Energiegehalt der verunreinigten Silage (6,5 MJ NEL/kg TM) ermittelt und den Schaden auf Basis entsprechender Kraftfutterkosten berechnet hat (vgl. Anlage K4, Bl. 12 d. A.; insges. 59.177,55 EUR).
Der Kläger hatte zunächst beantragt,
die Beklagten zu verurteilen,
1. als Gesamtschuldner an ihn 59.177,55 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.05.2015 und
2. als Gesamtschuldner an ihn 1.954,46 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit als Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Die Beklagten hatten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nachdem gegen den im Termin am 28.07.2016 säumigen Kläger ein klagabweisendes Versäumnisurteil erlassen wurde, hat der Kläger hiergegen form- und fristgerecht ...