Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidungsermessen bei Vorbehaltsurteil
Leitsatz (amtlich)
1. Der Ausfall des richterlichen Entscheidungsermessens bei Erlass eines Vorbehaltsurteils kann in der Berufungsinstanz geheilt werden.
2. Zur Prüffähigkeit einer Architektenhonorarrechnung.
Normenkette
BGB a.F. § 631; ZPO § 302
Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 11.02.2005; Aktenzeichen 13 O 306/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.2.2005 verkündete Vorbehaltsurteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des LG Kiel geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.861,22 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.1.2003 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
In Höhe von 25.564,59 EUR ergeht die Verurteilung unter Vorbehalt der Entscheidung über die von der Beklagten geltend gemachte Aufrechnung einer Gegenforderung auf Schadensersatz wegen Planungsfehlern des Klägers, näher bezeichnet in dem Schriftsatz der Beklagten vom 8.9.2004 unter Nr. 3.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger zu 36 % und die Beklagte zu 64 %. Die Kosten des zweiten Rechtszuges tragen der Kläger zu 18 % und die Beklagte zu 82 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die gegen ihn gerichtete Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % der aufgrund des Urteils vollstreckbaren titulierten Kostenforderung abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Beklagten wird nachgelassen, die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Architektenhonorar für den Neubau eines Kinder- und Jugendheimes und Wiederaufbau eines Stallgebäudes in Anspruch.
Die Beklagte ist Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus und einem Stallgebäude bebauten Heimgrundstücks in A. Nachdem am 17.4.1999 das Wohnhaus komplett und das Stallgebäude teilweise niedergebrannt waren, kam es am 5.6.1999 zu einem ersten Kontakt zwischen den Parteien, der zu einer Beauftragung des Klägers und zu Bauanträgen vom 21.6.1999 für den Wiederaufbau des Stallgebäudes und vom 27.9.1999 für den Neubau eines Kinder- und Jugendheimes führte. Die Bauvorhaben wurden in Angriff genommen.
Mit Schreiben vom 24.2.2000 kündigte die Beklagte die Vertragsbeziehung mit der Begründung fristlos, der Kläger habe die vorgegebenen Kostengrenzen überschritten, entgegen ihrem Wunsch abweichende Baumaterialien verwendet und den Wiederaufbau des Stallgebäudes nicht ordnungsgemäß überwacht.
Nach Erhalt von 11.600 DM erhob der Kläger Klage auf restliches Architektenhonorar, der das LG mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen sämtlicher Einzelheiten Bezug genommen wird, vorbehaltlich einer noch nicht zur Entscheidung reifen Gegenforderung der Beklagten mit der Begründung überwiegend stattgab, der Honoraranspruch des Klägers bestehe unabhängig davon, ob der Beklagten ein wichtiger Kündigungsgrund zur Seite gestanden gehabt habe, denn die Leistungsphasen seien weitgehend erbracht worden. Ausweislich des Ergebnisses der Beweisaufnahme seien die Kostenrechnungen weitgehend zutreffend. Wegen der infolge der Kündigung nicht mehr erbrachten Leistungen stehe dem Kläger wegen der vorzeitigen Vertragsauflösung das vertraglich vereinbarte Honorar abzgl. ersparter Aufwendungen zu. Der Kläger habe die vorzeitige Vertragsauflösung nicht zu vertreten gehabt. Es stelle keinen in der Person des Klägers liegenden wichtigen Grund zur Kündigung des Architektenvertrages dar, dass er die mit einem seiner Planung entsprechenden Bau verbundenen Kosten überschätzt habe. Die Abrechnung für die nicht erbrachten Leistungen sei nicht zu beanstanden. Der Honoraranspruch sei auch fällig, da die Schlussrechnung prüffähig sei. Sie versetze die Beklagte in die Lage zu prüfen, ob auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen zutreffend abgerechnet worden sei. Auch wegen der Planung und Überwachung des Wiederaufbaus des Stallgebäudes sei das Vorhaben im Wesentlichen zutreffend abgerechnet worden und die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass der Kläger seine Aufsichtspflicht vernachlässigt gehabt habe. Die Entscheidung könne nur unter Vorbehalt ergehen, denn die Beklagte habe wegen Fehler der durch den Kläger erbrachten Leistungen die Aufrechnung einer auf Schadensersatz gerichteten Gegenforderung geltend gemacht, so dass nur die Forderung des Klägers, nicht aber diejenige über die Gegenforderung zur Entscheidung reif sei. Dass die Beklagte zunächst mehrmals ausdrücklich die Aufrechnung und erst später die Verrechnung erklärt habe, stehe dem Erlass eines Vorbehaltsurteils nicht entgegen. Es handele sich bei dem von der Beklagten geltend gemachten Schadense...