Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung für Verletzungen bei gemeinsamem Nordic Walking

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck geändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte gegenüber der Klägerin zum Ersatz sämtlicher weiterer Schäden aus dem Schadensereignis vom 01.12.2013 zu Lasten der Versicherten der Klägerin, Frau ..., geboren am ...1962, verpflichtet ist, soweit diese gemäß § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangen sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 79 % und der Beklagte zu 21 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Klägerin macht als Trägerin der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung einen nach § 116 SGB X übergegangenen angeblichen Schadenersatzanspruch ihrer Versicherten, der Zeugin ..., geltend. Die 1962 geborene Zeugin betrieb am 01.12.2013 Nordic Walking. Der Beklagte ging neben ihr. Er trat gegen einen seiner Stöcke, der dadurch zwischen die Beine der Zeugin geriet. Sie stürzte und erlitt eine Luxation des rechten Daumengrundgelenkes mit Abriss des ulnaren Seitenbandes.

Zum Unfallzeitpunkt war die Zeugin als Krankenschwester im M. Klinikum in K. beschäftigt. Wegen einer erheblichen Bewegungseinschränkung des rechten Daumengrundgelenkes sowie einer beginnenden Arthrose mit belastungsabhängigen Schmerzen (Bl. 29 d. A.) konnte sie nicht mehr als Krankenschwester arbeiten. Sie wurde arbeitsunfähig krankgeschrieben. Mit Schreiben vom 28.05.2015 kündigte ihr das M. Klinikum zum 31.05.2015 (Anlage BLD 1, Bl. 54 d. A.) oder 30.06.2015 (Anlage MW 5, Bl. 33 d. A.). Ihre Arbeitsunfähigkeit als Krankenschwester bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses ist unstreitig. Streitig ist nur eine - von dem Beklagten behauptete - spätere Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit.

Im April 2015 hatte sich die Zeugin erfolglos beim ... um eine Übernahme in den Bürodienst beworben. Nach der Kündigung war sie bis zum 15.02.2017 arbeitslos. Seitdem hat sie eine Stelle als Arzthelferin. Vom 04.06.2015 bis zum 14.02.2017 zahlte die Klägerin an die Zeugin insgesamt 15.297,34 EUR (Bl. 6 d. A.). Diesen Betrag nebst Rechtshängigkeitszinsen und den Antrag auf Feststellung weiterer Schadensersatzpflicht des Beklagten macht die Klägerin im Rechtsstreit geltend. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Wegen des Sachverhalts und der im ersten Rechtszug zuletzt gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Der Klägerin stünde der geltend gemachte Anspruch aus auf sie übergegangenem Recht ihrer Versicherten zu. Dieser habe einen Anspruch gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB wegen fahrlässiger Körperverletzung zugestanden.

Ein Haftungsausschluss liege nicht vor. Nordic Walking gehöre nicht zu den sogenannten gefährlichen Sportarten, bei denen in einem gewissen Umfang mit gewöhnlichen Verletzungen gerechnet werden könne. Es handele sich um ein schnelles Gehen, bei dem die dazu benutzten Stöcke jeweils hinter dem bewegten Bein gehalten würden, sodass der Gehende nicht versehentlich gegen den eigenen Stock treten könne. Der Stock befinde sich beim Nordic Walking hinter dem jeweils bewegten Bein und damit nicht "in der Schusslinie" eines Fußes. Nur bei einem regelwidrigen Bewegungsablauf könne der Stock vor den eigenen Fuß geraten. Mit einer solchen "Regelwidrigkeit" müsse ein anderer Nordic Walker, der nebenher laufe, nicht rechnen.

Die Schadenshöhe sei unstreitig. Ein Mitverschulden der Versicherten liege nicht vor. Es sei ihr nicht zuzumuten gewesen, gegen die Kündigung ihrer Arbeitgeberin vorzugehen. An ihren bisherigen Arbeitsplatz habe sich nicht zurückkehren können und ein neuer, leidensgerechter Arbeitsplatz habe bei ihrer Arbeitgeberin nicht zur Verfügung gestanden. Dass sie ihre Tätigkeit als Krankenschwester nicht mehr habe ausüben können, ergebe sich aus dem von dem Beklagten selbst eingeholten Gutachten vom 09.01.2015. Mit einem Erfolg der Kündigungsklage wäre der Versicherten daher wenig gedient gewesen, denn an ihren Arbeitsplatz hätte sie nicht zurückkehren können und auch ein Einkommen hätte sie - nach Ablauf von Lohnfortzahlung und Krankengeld - nicht mehr bezogen. Eine erfolgreiche Anfechtung der Kündigung hätte auch den Beklagten wirtschaftlich nicht entlastet. Der Versicherten wäre bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit nach Auslaufen des Anspruchs auf Krankengeld ein verletzungsbedingter Verdienstausfall in Höhe ihres bisherigen Gehaltes entstanden. Dieser wäre höher gewesen als die durch die Klägerin tatsächlich gezahlten Lohnersatzleistungen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Versicherte bei ihrer bisherigen Arbeitgeberin mit Erfolg einen Anspruch auf Umsetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz hätte geltend machen können. Es fehle an konkretem Vortrag des Beklagten dazu, dass ein solcher Arbeitsplatz vorhan...

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