Leitsatz (amtlich)

Zur Steigerung der Gefahrenlage i.S.d. § 2 Ziff. I Abs. 1 AUB 88 bei Schwindelanfall vor Sturz im Badezimmer

 

Orientierungssatz

Geistes- oder Bewusstseinsstörung i.S.v. § 2 Ziff. I Abs. 1 AUB 88

 

Normenkette

AUB 88 § 2 Ziff. I Abs. 1

 

Beteiligte

Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Aktenzeichen 4 O 198/99)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 20. April 2000 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kiel geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 84.700 DM nebst 4 % Jahreszinsen seit dem 17. August 1999 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 98.200 DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Das Urteil beschwert die Beklagte im Werte von 84.700 DM.

 

Tatbestand

Die Parteien, die ein Unfallversicherungsvertrag auf der Grundlage der AUB 88 verbindet, streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die der Höhe nach unstreitige Invaliditätssumme von 84.700,– DM aufgrund eines in seinen Folgen ebenfalls unstreitigen Unfalls vom Januar 1997 im Bad der Wohnung des Klägers in zu leisten oder aber, ob die Beklagte wegen einer Bewusstseinsstörung des Klägers zur Zeit des Unfalls gem. § 2 I Abs. 1 AUB 88 die Leistung verweigern kann.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die formellen Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Invaliditätsleistung gemäß § 7 Ziff. I Abs. 1 Satz 3 AUB 88 erfüllt sind.

Der Kläger stürzte am Januar 1997 in seiner Wohnung in L in seinem Bad und erlitt ein Schädel-Hirntrauma sowie eine Felsenbeinquerfraktur auf der rechten Seite mit anschließender Schädigung des nervus vestibulocochlearis rechts mit Gehörverlust.

Der Kläger schilderte gegenüber der Beklagten die Einzelheiten des Unfalls durch Schreiben vom Februar, April und November 1997

Der Kläger hat behauptet:

Er sei in den frühen Morgenstunden des Unfalltages im Halbschlaf zur Toilette gegangen. Nach längerem Urinieren im Stehen sei ihm schwindelig geworden und er sei im Bemühen, sich einen Halt zu suchen, auf einer Fußmatte, die auf glatten Steinfliesenboden gelegen habe, ausgerutscht. Er habe zu keinem Zeitpunkt vor dem Aufschlag mit dem Kopf auf dem Fußboden das Bewußtsein verloren. Er habe den Sturz in vollem Bewußtsein erlebt und erst aufgrund des Aufschlagens des Hinterkopfes auf eine Bodenkante kurzfristig das Bewußtsein verloren.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 84.700 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet:

Infolge einer Miktionssynkope sei es beim Kläger zu einem kurzzeitigen Bewußtseinsverlust gekommen, weswegen er gestürzt sei.

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen:

Aus diesem Grunde fehle es schon an einem Unfall im Sinne der AUB 88, weil die Gesundheitsbeschädigung des Klägers durch einen körpereigenen Vorgang ausgelöst worden sei. Jedenfalls sei aber Ursache des Sturzes eine Bewußtseinsstörung des Klägers gewesen, weshalb sie nach § 2 Ziff. I Abs. 1 AUB 88 leistungsfrei sei.

Die Beklagte hat ihr Verteidigungsvorbringen auf die Arztbriefe des Zeugen Priv. Dozent Dr. B. vom Februar 1997 sowie des Direktors der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie der Universität K., Prof. Dr. R., vom Februar 1997 gestützt.

Das Landgericht hat Dr. B. als sachverständigen Zeugen vernommen und aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme die Klage abgewiesen.

In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt:

Zwar fehle es nicht an einem Unfall im Sinne des § 1 Ziff. 3 AUB 88, jedoch entfalle ein Anspruch des Klägers gemäß § 2 Ziff. I Abs. 1 AUB 88, da der unstreitige Sturz des Klägers durch eine Bewußtseinsstörung verursacht worden sei.

Der ganze Unfallhergang spreche für das Vorliegen einer Miktionssynkope. Der Zeuge B. habe ausgesagt, dass es bei einer Miktionssynkope zu einem Blutdruckabfall und einem Schwindel komme und es man dann nicht mehr verhindern könne, dass man hinfalle, so sei es offensichtlich auch dem Kläger ergangen.

Die Matte könne nur eine sekundäre untergeordnete Rolle gespielt haben. Der Kläger sei infolge seines erheblichen Schwindels nicht mehr in der Lage gewesen, Halt zu finden. Er sei ohne einen Versuch, den Sturz mit Hilfe seiner Hände abzumildern, auf den Kopf gefallen. Er wäre, nach Überzeugung des Gerichts, auch ohne Matte hingestürzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung einschließlich seiner Verweisungen Bezug genommen.

Mit seiner Berufung rügt der Kläger, das Landgericht habe seine Unfalldarstellung nur unvollständig gewürdigt. Die Beklagte habe bei deren Zugrundelegung den Beweis dafür, dass die Voraussetzungen für den Ausschluss des Tatbestandes des § 2 Ziff. I Abs. 1 AUB 88 vorgel...

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