Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Motorenherstellers gemäß § 826 BGB für das Inverkehrbringen von Diesel-Kraftfahrzeugen mit unzulässiger Abschaltsoftware

 

Normenkette

BGB §§ 31, 249, 826, 849

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 21. August 2019 - Az. 3 O 331/17 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung dahin abgeändert, dass unter Klagabweisung im Übrigen die Beklagte zu 2) verurteilt wird, an den Kläger Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom 10. August 2017 bis 15. Mai 2019 auf einen Betrag von 21.245,92 EUR zu zahlen, sowie festgestellt wird, dass sich die Klage in der Hauptsache gegen die Beklagte zu 2) in Höhe eines Betrages von 17.855,74 EUR erledigt hat.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 63 % und die Beklagte zu 2) zu 27 %. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sog. "Dieselskandal".

Der Kläger erwarb bei der Beklagten zu 1), einer Audi-Vertragshändlerin, welche am Berufungsverfahren nicht mehr beteiligt ist, mit Kaufvertrag vom 13. März 2015 einen gebrauchten Audi A5 Sportsback 2,0 TDI mit der FIN: XXX zu einem Kaufpreis von 24.865,00 EUR und mit einer Kilometerlaufleistung von 57.113 Kilometer (Anlage K 14). Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet, welcher von der Beklagten zu 2) hergestellt worden ist. In dem Fahrzeug war eine Motorsteuerungssoftware installiert, die erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchführt und sodann einen besonderen Modus aktiviert (sogenannte Umschaltlogik). In diesem Modus wird die Rückführung von Abgasen im Vergleich zu dem normalen Betriebsmodus verändert, wodurch die nach der Euro 5 Norm vorgegebene NOx-Werte während des Durchfahrens des NEFZ eingehalten werden. Im normalen Fahrbetrieb wird dieser Modus deaktiviert, wodurch es zu einem höheren Schadstoffausstoß kommt. Durch den Einsatz dieser Motorsteuerungssoftware wurde die EG-Typengenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug erlangt.

Der Dieselmotor wurde serienmäßig in diverse Fahrzeugmodelle der Beklagten zu 2) sowie derer Konzernunternehmen verbaut. Das Kraftfahrtbundesamt verpflichtete die Beklagte zu 2) dazu, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Motor des Typs EA 189 die aus Sicht des Bundesamtes unzulässige Abschaltvorrichtung zu entfernen. Die Beklagte zu 2) entwickelte ein Update für die Motorsteuerungssoftware, wonach das Fahrzeug nur noch über einen einheitlichen Betriebsmodus verfügt. Das Kraftfahrtbundesamt ordnete das Aufspielen des Updates obligatorisch an. Das entsprechende Update wurde im August 2016 beim streitgegenständlichen Fahrzeug aufgespielt.

Mit Schreiben vom 4. Juli 2017 forderte der Kläger die Beklagte zu 2) erfolglos zur Zahlung des Kaufpreises gegen Rücknahme des Fahrzeugs abzüglich eines Nutzungswertersatzes in Höhe von 3.001,25 EUR für bislang gefahrene Kilometer bis zum 25. Juli 2017 auf. Die Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs betrug zu diesem Zeitpunkt 92.465 Kilometer (Anlage K 19). Die Beklagte zu 2) ließ diese Frist verstreichen und verwies den Kläger mit Schreiben vom 09. August 2017 an die AUDI AG als Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs (Anlage K 20). Im März 2019 erlitt der Kläger mit dem Fahrzeug noch vor der mündlichen Verhandlung bei dem Landgericht Itzehoe einen Unfall, bei dem das Fahrzeug beschädigt wurde. Das Gutachten des Ingenieurbüros W. wies am 25. März 2019 einen Wiederbeschaffungswert von 17.900,00 EUR für das Fahrzeug aus. Der Kläger veräußerte das Fahrzeug anschließend am 15. Mai 2019 mit einem Kilometerstand von 125.581 Kilometern.

Der Kläger hat behauptet, dass es ihm beim Kauf auf die Zuordnung des Fahrzeugs zur Schadstoffklasse Euro 5 und auf die Verbrauchswerte angekommen sei. Darüber hinaus sei mit einem Verkehrsverbot in einzelnen Städten zu rechnen. Er hat ferner behauptet, dass hinsichtlich der Verkaufsmöglichkeiten eines Fahrzeuges ein erheblicher Minderwert vorläge, weil schon durch den Verdacht irregulärer Abgaswerte Verbraucher Abstand von dem Erwerb von Fahrzeugen mit der streitigen Ausstattung nähmen. Darüber hinaus träten bei den Fahrzeugen, bei denen ein Software-Update durchgeführt worden seien, diverse Mängel auf.

Der Kläger ist der Auffassung gewesen, dass ihm ein Nutzungsvorteil nach den Grundsätzen des Deliktsrechts nicht anzurechnen sei, weil dies di...

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