Entscheidungsstichwort (Thema)
Normenkontrollverfahren. Feststellung der Nichtigkeit der sog. „Trinkersatzung”
Tenor
§ 3 Abs. 4 der Satzung über die Sondernutzung an öffentlichen Straßen in der Stadt Elmshorn in der Fassung der 3. Änderung vom 19. Februar 1999 ist nichtig.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die auf der Grundlage einer Straßen- und wegerechtlichen Ermächtigung erlassene Bestimmung des § 3 Abs. 4 der Satzung über die Sondernutzung an öffentlichen Straßen in der Stadt Elmshorn i.d.F. der 3. Änderung vom 19. Februar 1999, die folgenden Wortlaut aufweist:
(4) Eine Sondernutzungserlaubnis wird nicht erteilt für das Niederlassen zum Alkoholgenuß außerhalb zugelassener Freisitzanlagen von Gaststätten und außerhalb von Freisitzanlagen im Zusammenhang mit zugelassenen Festen o.a. Veranstaltungen. Geduldet wird das vorübergehende Niederlassen zum Genuß geringer Mengen Alkohols.
Der Antragsteller gehört einem Personenkreis an, der sich – in der Regel aus fünf bis fünfzehn Personen bestehend – tagsüber wiederkehrend insbesondere auf dem zentral in der Fußgängerzone gelegenen Elmshorner Marktplatz trifft, sich auf der zur Kirche hin gelegenen Marktplatzseite niederläßt und dort Alkohol – in der Hauptsache Dosenbier – konsumiert.
Nachdem es an dem genannten Standort zu auch nach Darstellung des Antragstellers „unschönen Szenen” in Gestalt des „Anmachens” von Passanten durch betrunkene, zum Teil dem beschriebenen Kreis zugehörige Personen sowie das Urinieren gegen die Kirchenmauer gekommen war, änderte die Antragsgegnerin die „Satzung über die Sondernutzung an öffentlichen Straßen in der Stadt Elmshorn”, indem sie den § 3 dieser Satzung um den nunmehr streitbefangenen Absatz 4 ergänzte. Die neue Satzungsbestimmung trat gemäß Artikel II der Änderungssatzung vom 19. Februar 1999 nach ihrer Veröffentlichung in den „Elmshorner Nachrichten” vom 22. Februar 1999 in Kraft.
Der Antragsteller führt zur Begründung seines Begehrens aus, daß der von ihm bezeichnete Personenkreis, darunter er selbst, seit der Änderung des Satzungsrechts in zunehmendem Maße von der Polizei drangsaliert werde. Diese tauche plötzlich auf, beschlagnahme Bierdosen, kippe den Inhalt bereits geöffneter Bierdosen weg, spreche Platzverbote aus und drohe mit der Verhaftung von Personen, die „nach Ablauf von fünf Minuten den Platz nicht verlassen haben”. Der letzte Vorfall dieser Art, von dem auch der Antragsteller betroffen gewesen sei, datiere vom 08. März 1999. Bei dieser Gelegenheit seien dem Antragsteller vier Bierdosen á 0,5 Liter weggenommen worden. Auch für die Zukunft sei damit zu rechnen, daß solche polizeilichen Einsätze stattfänden; und zwar schon deshalb, weil die beschriebenen Treffen naturgemäß im Frühjahr bzw. Sommer häufiger und auch ausdauernder stattfänden als in den Wintermonaten. Er wolle sich auch in Zukunft im Bereich des Marktplatzes aufhalten und dort Bier trinken.
Als Ausgangsüberlegung sei festzuhalten, daß der Konsum von Alkohol wie auch das „sich Niederlassen zum Zwecke des Alkoholkonsums” in Deutschland – und so auch in Elmshorn – grundsätzlich nicht strafbewehrt und damit legal sei. Es sei schon nicht nachzuvollziehen, warum dieselbe Tätigkeit – das Trinken von Alkohol – innerhalb bzw. außerhalb zugelassener Freisitzanlagen satzungsrechtlich unterschiedlich behandelt werde. Auf jeden Fall bedürfe es aber einer Sondernutzungserlaubnis nur, wenn das fragliche Verhalten keinen Gemeingebrauch mehr darstelle. Zum Verkehr i.S.d. § 20 Abs. 1 des Schleswig-Holsteinischen Straßen- und Wegegesetzes zähle jedoch insbesondere in verkehrsberuhigten bzw. für den Kraftverkehr gesperrten Bereichen der sogenannte „kommunikative” Verkehr. Demgemäß habe der VGH Baden-Württemberg in einem Beschluß vom 06. Oktober 1998 (Az. – 1 S 2272/97 –) eine nahezu wortgleiche Norm der Stadt Ravensburg unter anderem mit der Begründung für nichtig erklärt, daß der mit dem Konsum alkoholischer Getränke verbundene Aufenthalt auf einer – den Fußgängern vorbehaltenen – öffentlichen Straße sich in den Grenzen des kommunikativen Gemeingebrauchs halte; und zwar gerade dann, wenn der betreffende Platz nicht nur Geschäfts- und Einkaufsstraße, sondern auch Treffpunkt der Bürger sei.
Die streitige Norm sei überdies zu unbestimmt. Für die Polizei sei faktisch kaum zu erkennen, wer sich wann „vorübergehend” niederlasse, ob dies „zum Zwecke” des Alkoholgenusses geschehe und was überhaupt unter dem Begriff des „Niederlassens” zu verstehen sei. Alkohol könne problemlos auch stehend oder gehend konsumiert werden. Die Rechtslage sei für potentiell betroffene Personen nicht hinr...