Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 276
Ein als Verfahrenspfleger bestellter Rechtsanwalt kann seine Aufwendungen nach § 1 Abs. 2 S. 1 grds. nicht als Vergütung nach dem RVG abrechnen, weil die Führung einer Verfahrenspflegschaft allein nicht als anwaltliche Tätigkeit i.S.d. RVG angesehen werden kann. Nach §§ 1 Abs. 2 S. 2 RVG, 1835 Abs. 3 BGB kann der Rechtsanwalt jedoch ausnahmsweise Aufwendungsersatz in Gestalt einer Vergütung nach dem RVG verlangen, soweit er seine spezifische anwaltliche Qualifikation für Aufgaben einsetzt, für deren Erfüllung ein rechtsunkundiger Laie als Verfahrenspfleger wegen der besonderen rechtlichen Schwierigkeit und der Bedeutung vernünftigerweise einen Anwalt hätte beauftragen müssen (siehe Rdn 164 f.). Bspw. sieht der BGH die Prüfung eines Anteilsübertragungsvertrages, die Überprüfung eines von dem Betreuer zur betreuungsgerichtlichen Genehmigung vorgelegten Mietvertrags bzw. eines notariellen Grundstückskaufvertrags sowie einer Grundschuldbestellung sowie die Zustimmung zur Löschung eines Wohnungs- und Benutzungsrechts für die an Demenz leidende Betroffene als rechtsanwaltsspezifische Tätigkeiten an.
Rz. 277
Aus dem Umstand, dass § 277 Abs. 1 FamFG nur auf §§ 1835 Abs. 1 und 2 BGB, nicht aber auf § 1835 Abs. 3 BGB verweist, ergibt sich nichts anderes. Denn es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber im Rahmen von § 277 Abs. 1 FamFG von den Vorgaben des BVerfG zur Abrechnung anwaltsspezifischer Dienstleistungen durch den anwaltlichen Verfahrenspfleger abweichen wollte.
Rz. 278
Die gerichtliche Feststellung, dass die Verfahrenspflegschaft eine anwaltsspezifische Tätigkeit erfordert, ist für die Kosten- bzw. Vergütungsfestsetzung bindend und nicht anfechtbar. Wird diese Feststellung getroffen, ist bei der Vergütungsfestsetzung nicht mehr zu prüfen, ob eine anwaltsspezifische Tätigkeit tatsächlich erforderlich war.
Rz. 279
Der Anspruch auf Aufwendungsersatz erlischt gem. § 1835 Abs. 1 S. 3 BGB, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung gerichtlich geltend gemacht wird (vgl. Rdn 245).
Rz. 280
Grds. kann auch für den in einer Unterbringungssache (vgl. §§ 312 f. FamFG) bestellten Verfahrenspfleger eine Vergütung nach dem RVG anfallen. Das gilt für den Verfahrenspfleger in einer Freiheitsentziehungssache gem. §§ 415 ff. entsprechend.
Rz. 281
Hat das Betreuungsgericht den anwaltlichen Verfahrenspfleger in einem Verfahren über die Genehmigung einer Unterbringung (§ 1906 Abs. 1 bis 3 BGB) einerseits und einer freiheitsentziehenden Maßnahme (§ 1906 Abs. 4 BGB) andererseits bestellt, kann er beide Tätigkeiten jeweils nach VV 6300 abrechnen; es handelt sich insoweit um verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 15 Abs. 2 S. 1. Unerheblich ist, ob dasselbe Gericht die beiden Beschlüsse am selben Tag und unter demselben Aktenzeichen erlassen hat. Denn maßgeblich ist allein, dass es sich bei den der Bestellung zugrundeliegenden Verfahren bzw. Verfahrensgegenständen nicht um dieselbe Angelegenheit handelt (zum Verfahrensbeistand vgl. Rdn 95 ff.).
Beispiel: Der Rechtsanwalt wird in einem Unterbringungsverfahren zum Verfahrenspfleger bestellt. Ferner ordnet das Gericht an, dass das Bett des Betroffenen mit einem Bettgitter zu versehen ist und der Betroffene sedierende Medikamente einzunehmen hat. Auch für dieses Verfahren bestellt das Gericht den Rechtsanwalt zum Verfahrenspfleger. Gleichzeitig bestimmt das Gericht, dass die Verfahrenspflegschaften anwaltsspezifische Tätigkeiten verlangen. Die beiden Verfahrenspflegschaften erfordern vom Rechtsanwalt einen Zeitaufwand von 25 Stunden. Der Rechtsanwalt hat an einem gerichtlichen Termin im Unterbringungsverfahren teilgenommen.
Bei Abrechnung nach dem konkreten Zeitaufwand beträgt die Vergütung 837,50 EUR zzgl. Umsatzsteuer (25 Stunden à 33,50 EUR; ab 27.7.2019: 39 EUR).
Bei der ebenfalls möglichen Abrechnung nach dem RVG erhält der Rechtsanwalt für die Tätigkeiten in den beiden verschiedenen gebührenrechtlichen Angelegenheiten "Unterbringung und Freiheitsentziehung" zwei Verfahrensgebühren nach VV 6300 i.H.v. je 224 EUR (bis 31.12.2020: 204 EUR), für die Teilnahme an dem gerichtlichen Termin eine Terminsgebühr nach VV 6301 i.H.v. 224 EUR (bis 31.12.2020: 204 EUR) sowie zwei Postentgeltpauschalen nach VV 7002 i.H.v. je 20 EUR, zzgl. Umsatzsteuer.
Die Abrechnung des konkreten Zeitaufwandes ist damit für den Rechtsanwalt günstiger.