Norbert Schneider, Peter Fölsch
Rz. 126
Nr. 10, 1. Hs. greift nur dann, wenn das Rechtsmittel bei demselben Gericht eingelegt wird, dessen Entscheidung angefochten wird. Da Berufung und Revision in Strafsachen bei dem Gericht einzulegen sind, dessen Entscheidung angefochten wird, dürfte diese Voraussetzung immer gegeben sein. Gleiches gilt für die Beschwerden nach VV 4145, 4146 (§ 306 Abs. 1 StPO), nach § 372 StPO in einem Wiederaufnahmeverfahren (VV 4139), Beschwerden in der Strafvollstreckung, Beschwerdeverfahren als Einzeltätigkeiten, Beschwerden nach § 406 Abs. 5 S. 2 StPO und Beschwerden gegen eine den Rechtszug beendende Entscheidung nach § 25 Abs. 1 S. 3 bis 5, § 13 StrRehaG.
Rz. 127
In Freiheitsentziehungssachen nach § 415 FamFG, in Unterbringungssachen nach § 312 FamFG und bei Unterbringungsmaßnahmen nach § 151 Nr. 6 und 7 FamFG (VV 6300 ff.) ist die Beschwerde nach § 64 Abs. 1 FamFG beim Beschwerdegericht einzureichen. Die Rechtsbeschwerde ist dagegen gem. § 71 S. 1 FamFG beim BGH einzureichen, so dass Nr. 10 hier nicht gilt.
Rz. 128
Soweit allerdings ausnahmsweise die Einlegung des Rechtsmittels auch beim Rechtsmittelgericht selbst in Betracht kommt, greift Nr. 10, 1. Hs. nicht, so dass bereits mit der Einlegung die Gebühr für das Rechtsmittelverfahren entsteht. Der Verteidiger macht sich hier jedoch gegebenenfalls schadensersatzpflichtig, da er den kostengünstigsten Weg verlässt. Die anfallenden Mehrkosten kann er dann nicht liquidieren.
Beispiel: Die Berufungsfrist vor dem AG wird versäumt. Der Verteidiger stellt daraufhin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legt gleichzeitig Berufung ein. Den Antrag richtet er an das LG als Berufungsgericht. Das LG lehnt den Antrag wegen Verschuldens des Angeklagten an der Fristversäumung ab.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist nach § 45 Abs. 1 S. 1 StPO grundsätzlich bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen war. Das wäre hier das AG gewesen (§ 314 Abs. 1 StPO). Nach § 45 Abs. 1 S. 2 StPO kann der Antrag aber auch bei dem Gericht gestellt werden, das über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden hat. Das ist hier nach § 46 Abs. 1 StPO das LG, da es bei rechtzeitiger Einlegung über die Berufung zu entscheiden gehabt hätte. Somit kann der Wiedereinsetzungsantrag zusammen mit der nach § 45 Abs. 2 S. 2 StPO gleichzeitig einzureichenden Berufung beim LG eingereicht werden. Der Anwalt erhält hierfür also bereits eine Gebühr nach VV 4124.
Hätte der Anwalt den Antrag beim AG eingereicht, so wäre seine Tätigkeit gemäß Nr. 10, 1. Hs. durch die Gebühr des VV 4106 abgegolten worden. Die Gebühr nach VV 4124 kann er daher nur insoweit geltend machen, als der Wiedereinsetzungsantrag nach § 14 Abs. 1 zu einer Erhöhung der Gebühr der VV 4106 geführt hätte.