Lotte Thiel, Dr. iur. Thomas Eder
Rz. 17
Voraussetzung ist auch bei Abs. 1 S. 1, dass die Beratung nicht mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit zusammenhängt. Der dem Anwalt erteilte Auftrag hat sich also auf die Erteilung eines Rates oder einer Auskunft zu beschränken. Die Abgrenzung ist häufig schwierig, da der Anwalt bei jeder Tätigkeit gleichzeitig auch beraten muss und Auskünfte zu erteilen hat. Diese begleitende Beratung wird in anderen Angelegenheiten stets durch die dort anfallenden Gebühren abgegolten, also z.B. im Rechtsstreit durch die Verfahrensgebühren (nach VV 3100, 3200 etc.) und in außergerichtlichen Angelegenheiten durch die Geschäftsgebühr der VV 2300 ff. In straf- und bußgeldrechtlichen Angelegenheiten sowie in Angelegenheiten nach VV Teil 6 wird die Beratung durch die dortigen Verfahrensgebühren abgegolten. Soweit im Rahmen solcher Tätigkeiten eine Beratung anfällt, gilt Abs. 1 S. 1 nicht.
Rz. 18
Entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung zwischen anwaltlicher Beratung und Geschäftsbesorgung ist regelmäßig, ob der Anwalt aufgrund des ihm erteilten Auftrags nach außen hin tätig werden soll, also ob er z.B. mit Dritten korrespondieren oder sich bei Gericht bestellen soll. Auch in diesem Zusammenhang kann nicht oft genug betont werden, dass der Inhalt des anwaltlichen Auftrags entscheidend ist. Lautet dieser dahingehend, nach außen (gegenüber Dritten) tätig zu werden, dann ist der Anwendungsbereich der Beratung verlassen und der einer Geschäftsgebühr eröffnet, auch wenn es im Laufe des Mandates nicht zu einer solchen nach außen gerichteten Tätigkeit kommt. Soll der Anwalt für seinen Mandanten ein Schreiben an den Gegner verschicken, so geht diese Tätigkeit über die bloße Beratung hinaus; die Geschäftsgebühr fällt dann unabhängig davon an, ob das Schreiben später tatsächlich abgesendet wird. In Fällen dieser Art ist der deregulierte Bereich der Beratung überschritten. Es gelten dann die VV 2300 ff. oder VV 3100 ff. oder die sonstigen jeweiligen Verfahrens- oder Geschäftsgebühren. In Zweifelsfällen sollte der Anwalt immer eine Gebührenvereinbarung nach § 34 abschließen.
Rz. 19
Die Beratung beschränkt sich begrifflich auf den Informationsaustausch zwischen Anwalt und Auftraggeber. Nach Auffassung des BGH handelt es sich bei einer (Erst-)Beratung um eine pauschale und überschlägige Einstiegsberatung des Mandanten durch den Anwalt. Dazu gehört nicht, dass der Anwalt sich erst sachkundig macht oder dass er die Erstberatung schriftlich zusammenfasst. Unschädlich ist es insoweit, wenn der Anwalt mit Dritten in Kontakt tritt, etwa indem er von ihnen Auskünfte einholt oder Rückfragen stellt. Allein dadurch wird der Bereich der Beratung noch nicht verlassen.
Beispiel: Anlässlich einer Beratung in einer Strafsache ruft der Anwalt auf der Geschäftsstelle des Gerichts an und erkundigt sich, wann der Strafbefehl durch Niederlegung zugestellt worden ist.
Rz. 20
Geht die mündliche oder schriftliche Korrespondenz mit einem Dritten hingegen über bloße An- und Rückfragen hinaus, soll der Anwalt also mit einem Dritten auch über die Sache selbst sprechen, ist der Bereich der Beratung überschritten. Die Tätigkeit ist dann nach den Gebühren der jeweiligen Angelegenheit zu vergüten.
Beispiel: Der Mandant beauftragt den Anwalt, ihn über die Höhe des ihm zustehenden Schmerzensgeldes zu beraten und gleichzeitig mit dem Sachbearbeiter des Versicherers über die Höhe zu verhandeln.
Rz. 21
Andererseits führt nicht jede Kontaktaufnahme zu der Annahme einer Geschäftstätigkeit. So zählt das Einholen von Auskünften bei Behörden oder Dritten oder die Anforderung von Gerichts- oder Behördenakten zur Einsichtnahme noch zur Beratungstätigkeit.
Rz. 22
Auch das Entwerfen einseitiger Urkunden ist noch Beratung. Das hat insbesondere Bedeutung für die Mitwirkung an der Errichtung eines Testaments. Das gilt auch bei einem wechselbezüglichen gemeinsamen Ehegattentestament und auch bei dem Entwurf zweier aufeinander abgestimmter Testamente.
Rz. 23
Ebenso liegt mangels Außenwirkung noch eine Beratung vor, wenn der Anwalt ein Schreiben unter Briefkopf des Mandanten für diesen entwirft, das der Mandant anschließend dann selbst verschickt.
Rz. 24
Ebenso zählt die Erstellung eines wissenschaftlichen Aufsatzes – hier mit einem "bestellten" Ergebnis – als Beratungstätigkeit, da sie so sehr aus dem üblichen Rahmen anwaltlicher Tätigkeit herausfällt, dass sie von einer Vergütungsvereinbarung über "außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeiten" nicht erfasst wird.
Rz. 25
Das Mitwirken an der Gestaltung eines Vertrags ist dagegen bereits der Geschäftstätigkeit zuzurechnen, auch wenn der Anwalt nicht nach außen in Erscheinung treten soll.
Rz. 26
Die Abgrenzung ist insbesondere dann schwierig, wenn der Mandant bei Beauftragung des Anwalts noch gar nicht weiß, in welcher Richtung er den Anwalt beauftragen will. Diese Fälle sind in der Praxis häufig, da der Mandant nicht selten erst nach der Beratung durch den Anwalt in die Lage versetzt...