Gesetzestext

 

(1) 1In außergerichtlichen Angelegenheiten kann eine niedrigere als die gesetzliche Vergütung vereinbart werden. 2Sie muss in einem angemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Rechtsanwalts stehen. 3Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungshilfe vor, kann der Rechtsanwalt ganz auf eine Vergütung verzichten. 4§ 9 des Beratungshilfegesetzes bleibt unberührt.

(2) 1Der Rechtsanwalt kann sich für gerichtliche Mahnverfahren und Zwangsvollstreckungsverfahren nach den §§ 802a bis 863 und 882b bis 882f der Zivilprozessordnung verpflichten, dass er, wenn der Anspruch des Auftraggebers auf Erstattung der gesetzlichen Vergütung nicht beigetrieben werden kann, einen Teil des Erstattungsanspruchs an Erfüllungs statt annehmen werde. 2Der nicht durch Abtretung zu erfüllende Teil der gesetzlichen Vergütung muss in einem angemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Rechtsanwalts stehen.

(3) 1In der Vereinbarung kann es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer überlassen werden, die Vergütung nach billigem Ermessen festzusetzen. 2Ist die Festsetzung der Vergütung dem Ermessen eines Vertragsteils überlassen, gilt die gesetzliche Vergütung als vereinbart.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

§ 4 schafft den rechtlichen Rahmen für die Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Vergütung im außergerichtlichen Bereich. Ergänzend sind die allgemeinen Erfordernisse des § 3a zu beachten. Für eine erfolgsabhängige Vereinbarung gelten hingegen die qualifizierten Voraussetzungen des § 4a.

 

Rz. 2

Abs. 1 übernimmt die bis 2008 geltende Altfassung des Abs. 2 S. 1. § 4 Abs. 1 S. 2 a.F. ging in § 3a Abs. 1 auf, die Regelungsinhalte der §§ 4 Abs. 4 bis 6 a.F. wurden – zum Teil in veränderter Form – in § 3a Abs. 2 bis 4 RVG eingestellt. Der Kondiktionsausschluss nach § 4 Abs. 1 S. 3 a.F. wurde durch einen Verweis auf die §§ 812 ff. BGB in § 4b S. 2 ersetzt (vgl. § 4b Rdn 16). Im Übrigen handelt es sich um Folgeänderungen.

 

Rz. 3

Nach Abs. 1 kann in außergerichtlichen Angelegenheiten eine niedrigere als die gesetzliche Vergütung vereinbart werden. Zwischen einzelnen Vergütungsmodellen, namentlich der Pauschal- und der Zeitvergütung, wird dabei nicht unterschieden.

 

Rz. 4

Abs. 2 trifft eine Regelung für die Vergütung des Anwalts in sog. Beitreibungssachen.

 

Rz. 5

Abs. 3 sieht die Möglichkeit vor, in einer Vereinbarung die Festsetzung der Vergütung dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer zu überlassen; soll dagegen einer der Vertragspartner die Höhe der Vergütung bestimmen, gilt die gesetzliche Vergütung als vereinbart.

B. Regelungsgehalt

I. Unterschreitung der gesetzlichen Vergütung (Abs. 1)

1. Normsystematik

 

Rz. 6

Eine Vereinbarung, die gegenüber der gesetzlichen Vergütung geringere Gebühren oder Auslagen vorsieht, ist nach dem Gebührenunterschreitungsverbot des § 49b Abs. 1 BRAO unzulässig, soweit das RVG nichts anderes bestimmt (siehe § 3a Rdn 19 ff.). Eine anderweitige Bestimmung in diesem Sinne ist Abs. 1. Danach kann in außergerichtlichen Angelegenheiten eine niedrigere als die gesetzliche Vergütung zulässig vereinbart werden.[1]

[1] So für § 3 BRAGO bzw. § 4 RVG a.F. bereits BGH 26.9.2002 – I ZR 44/00, NJW 2003, 819 (Anwalts-Hotline); BGH 30.9.2004 – I ZR 261/02, NJW 2005, 1266 (Telekanzlei).

2. Außergerichtliche Angelegenheit

 

Rz. 7

Abs. 1 findet nur Anwendung auf eine Vergütungsvereinbarung, die für eine außergerichtliche Angelegenheit geschlossen wird. Aus der Bezugsgröße der gesetzlichen Vergütung folgt zudem, dass für die Tätigkeit des Anwalts in dieser außergerichtlichen Angelegenheit gesetzliche Gebühren existieren müssen. Keine Anwendung findet Abs. 1 daher auf die Bereiche der außergerichtlichen Beratung, der Begutachtung und der Mediation. Für die beiden erstgenannten Tätigkeiten hat der Gesetzgeber bereits mit Wirkung zum 1.7.2006 die gesetzlichen Gebührentatbestände aufgehoben; für die Mediation gab es eine staatliche Tarifierung der anwaltlichen Vergütung nie.[2] Nach § 34 Abs. 1 können für alle drei Tätigkeitsbereiche Gebührenvereinbarungen ohne Rücksicht auf Abs. 1 getroffen werden; auch das Gebührenunterschreitungsverbot des § 49b Abs. 1 BRAO gilt insoweit nicht.[3]

 

Rz. 8

Nachdem die Tätigkeitsbereiche des § 34 dem Anwendungsbereich des Abs. 1 nicht unterfallen (vgl. Rdn 7), verbleibt als praxisrelevante Fallgruppe in VV Teil 2 die Vereinbarung einer untertariflichen Vergütung im Bereich der außergerichtlichen Vertretung sowie der Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels. Ebenso gilt Abs. 1 In Verfahren nach VV Teil 4 bis 6, soweit der Anwalt außergerichtlich tätig ist, also im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren oder im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde. Insoweit hat eine Deregulierung zum 1.7.2006 nicht stattgefunden; die gesetzlichen Gebühren des RVG, namentlich die Geschäftsgebühr nach VV 2300, gelten fort. Auch die Neuregelung des Rechts der Vergütungsvereinbarung durch das Gesetz vom 12.6.2008 hat an diesem Befund nichts geändert.

[2] Siehe 4. Aufl. § 4 Rn 144 m.w.N.
[3] So bereits zur Rechtslage vor dem 1.7.2008 AGH Berlin BRAK-Mitt. 2007, 173 (zu kostenloser Beratung für Hartz-IV-Bezieher); OLG Stuttgart AGS 2...

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