Peter Fölsch, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
a) Grundsätzliches
Rz. 46
Liegen alle Voraussetzungen für einen nach § 55 durchzusetzenden Vergütungsanspruch des Anwalts gegen die Staatskasse vor, ist also insbesondere die Beiordnung oder Bestellung wirksam, der Anwalt gebührenpflichtig tätig geworden und fällt diese Tätigkeit unter die Beiordnung oder Bestellung, so können gleichwohl – ausnahmsweise – Gründe vorliegen, die das Entstehen oder den Fortbestand des Anspruchs hindern. Angesprochen sind die so genannten rechtshindernden oder rechtsvernichtenden Einwendungen formeller (vgl. § 55 Abs. 6 S. 2) und materiell-rechtlicher Art, die von Amts wegen zu beachten sind, aber von der Staatskasse als Schuldnerin zureichend vorgetragen werden müssen; nach allgemeinen Darlegungsgrundsätzen gehen verbleibende Unklarheiten darüber, ob ein in Betracht kommendes Anspruchshindernis wirklich vorliegt, zu ihren Lasten.
Rz. 47
Neben den im BGB normierten allgemeinen Untergangsgründen (§§ 362 ff. BGB), von denen insbesondere auch der Verzicht (siehe § 46 Rdn 26 f., § 54 Rdn 19) praktisch bedeutsam ist, finden sich spezielle Anspruchshindernisse, die aus den Eigenarten der Beiordnung oder Bestellung resultieren. Ausdrücklich normiert ist insoweit der Tatbestand des schuldhaft verursachten Anwaltswechsels (§ 54). Zudem folgt aus der bürgenähnlichen Position der Staatskasse deren Recht, entsprechend § 768 Abs. 1 S. 1 BGB sämtliche Einwendungen geltend zu machen, die der Partei zustünden. Ferner haben sich in der Praxis verschiedene Fallgruppen herausgebildet, die den Einwand der rechtsmissbräuchlichen Anspruchsstellung begründen. All diesen besonderen Einwendungen gemeinsam ist der Umstand, dass dem Anwalt vorgehalten wird, Vergütungstatbestände ohne Notwendigkeit gesetzt zu haben.
b) Schuldhaft verursachter Anwaltswechsel (§ 54)
Rz. 48
Hat der beigeordnete oder bestellte Rechtsanwalt durch schuldhaftes Verhalten die Beiordnung oder Bestellung eines anderen Rechtsanwalts veranlasst, kann er gem. § 54 Gebühren, die auch für den anderen Rechtsanwalt entstehen, nicht fordern. Der Tatbestand des § 54 ist konzipiert wie ein Schadensersatzanspruch und soll dazu dienen, eine unnötige Doppelzahlung infolge vermeidbar gewesenen Anwaltswechsels von der Staatskasse abzuwenden. Dem beigeordnet gewesenen Anwalt, der den Anwaltswechsel zu verantworten hat, wird kraft Gesetzes der Vergütungsanspruch entzogen, wodurch der Eintritt eines durch den Anwaltswechsel bedingten wirtschaftlichen Nachteils für die Staatskasse von vornherein vermieden wird (im Einzelnen siehe § 54 Rdn 16 ff.). Der Sache nach handelt es sich um einen rechtlich verselbstständigten Einwendungsdurchgriff, weil die Partei dem entpflichteten Anwalt vertragswidriges Verhalten vorwerfen und damit ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 628 Abs. 1 S. 2 BGB) oder gem. § 280 BGB einen Schadensersatzanspruch in Höhe der unnötig angefallenen Gebühren entgegenhalten könnte.
c) Gebot kostensparender Prozessführung
Rz. 49
Der beigeordnete oder bestellte Anwalt muss sich auch einen Verstoß gegen seine vertraglichen Anwaltspflichten von der Staatskasse entgegenhalten lassen, da diese für die Vergütung nur als Hilfsschuldnerin (vgl. Rdn 7) und mithin nicht weitergehend einzustehen hat, als die Partei selbst zur Zahlung verpflichtet wäre. Hier geht es letztlich ebenfalls darum, dass bei kostenbewusster Ausübung der anwaltlichen Vertretung die Verwirklichung von Gebührentatbeständen vermeidbar gewesen wäre und dem Anwalt vorzuwerfen ist, von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht zu haben. So kommt in Betracht, dass die Aufteilung des Mandats auf mehrere Verfahren oder eine Einzelvertretung (vgl. § 7 Rdn 111 ff.) nicht im Interesse der Partei liegt. Dann kann der Anwalt auch gegenüber der Staatskasse nur so abrechnen, als hätte er auf den Gesichtspunkt der Kostenvermeidung hinreichend Rücksicht genommen. Ein Anspruch ist "immer dann ausgeschlossen, wenn der Rechtsanwalt seinen Gebührenanspruch gegen die Partei – wäre nicht PKH bewilligt worden – aus Rechtsgründen nicht durchsetzen könnte. Denn der Sinn des PKH-Verfahrens ist es, die bedürftige Partei von der Verpflichtung zur Tragung von Anwaltskosten zu befreien, nicht aber, den Honoraranspruch des Anwalts zu sichern".
Auf § 55 Rdn 154 ff. wird verwiesen.
Rz. 50
Mithin kann der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Anwalt grundsätzlich nur die notwendigen Kosten im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO von der Staatskasse verlangen, da ansonsten die Partei in der Regel einwenden könnte, der Anwalt habe durch die Art der Behandlung des erteilten Auftrages überflüssige Gebühren ausgelöst und damit den Auftrag zu ihrem Nachteil schlecht erfüllt. So greift der Einwand beispielsweise durch, wenn der beigeordnete Anwalt eine Wiedereinsetzungsfrist aus eigenem Verschulden versäumt hat.
Zitat
"Folge eines Anwaltsverschuldens, das bei Nichtbewilligung der PKH die Durchsetzung einer Vergütungsforderung gegen den Mandanten vereitelt hätte, darf nicht der Erwerb einer Anwaltsvergütung für eben die wegen des Anwaltsverschuldens unzulässige Prozeßhandlung gegen ...