Peter Fölsch, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
a) Bedeutung
Rz. 57
Ein frei von Einwendungen bestehender Zahlungsanspruch lässt sich gleichwohl nicht durchsetzen, wenn und soweit der Schuldner berechtigt ist, dessen Erfüllung zu verweigern. Während dieser Gesichtspunkt im allgemeinen Schuldrecht eine erhebliche Rolle spielt, hat er bei dem gesetzlichen Vergütungsanspruch des Anwalts gegen die Staatskasse nur eine untergeordnete Bedeutung.
b) Mangelnde Fälligkeit – Vorschussrecht (§ 47)
Rz. 58
Die Fälligkeit spezifiziert den Anspruch hinsichtlich der Leistungszeit (§ 271 BGB). Sie bezeichnet den Zeitpunkt, von dem ab der Gläubiger die Erfüllung des Anspruchs verlangen darf. Für den Vergütungsanspruch des Anwalts ist sie in § 8 Abs. 1 geregelt. Vor dem frühesten der dort aufgeführten Termine kann der Anwalt seine Tätigkeit nicht abrechnen. Das hindert ihn aber nicht, die Staatskasse vorher auf Zahlung in Anspruch zu nehmen, wenn er nicht bis zur Fälligkeit abwarten will, etwa weil eine monatelange Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens stattfindet. Denn gem. § 47 kann auch der beigeordnete oder bestellte Anwalt "angemessenen Vorschuss“ einfordern (zur Rückabwicklung vgl. Rdn 66 ff.). Angemessen ist ein Vorschuss in Höhe der bereits entstandenen Gebühren sowie der entstandenen und voraussichtlich entstehenden Auslagen (vgl. § 47 Rdn 11 ff.). Insoweit steht mangelnde Fälligkeit einer Inanspruchnahme der Staatskasse nicht entgegen."
Rz. 59
Über die Vorschussregelung kann der beigeordnete oder bestellte Anwalt wirtschaftlich alles erhalten, was er als Gläubiger von der Staatskasse zu beanspruchen hat. Bei Wertgebühren und Gegenstandwerten bis einschließlich 4.000 EUR (siehe § 49 Rdn 9) oder bei Betragsrahmengebühren, wo die für den beigeordneten oder bestellten Anwalt nach dem Vergütungsverzeichnis vorgegebene Festgebühr den Rahmen angemessen konkretisiert, kann er sogar Befriedigung in demselben Umfang erlangen, als würde er sie von der vertretenen Person beanspruchen. Es verbleibt lediglich der Vorbehalt einer noch durchzuführenden Endabrechnung, der sich allerdings in der Praxis im Regelfall nur dann auswirkt, wenn in einem umfangreichen Verfahren häufig Vorschüsse abgerechnet worden sind. Nur bei Prozesskostenhilfe mit Zahlungsbestimmung und Gegenstandswerten über 4.000 EUR muss er wegen des über die Vergütung nach der Tabelle des § 49 hinausgehenden Teils seines Anspruchs gegen die Staatskasse (zunächst) die Fälligkeit der Vergütung abwarten (§ 50 Abs. 1 S. 2).
c) Verjährung
Rz. 60
Ebenso wie der privatrechtliche Anspruch des Anwalts gegen die Partei verjährt auch der öffentlich-rechtliche Anspruch des beigeordneten Anwalts gegen die Staatskasse, und zwar gem. §§ 195, 199 BGB mit dem Ablauf des dritten Kalenderjahres auf das Jahr, in dem die Fälligkeit erstmalig eingetreten ist.
Rz. 61
Diese Frist ist relativ kurz und sollte daher von dem Anwalt kontrolliert werden, falls er sich nicht grundsätzlich für die "Vorschuss-Lösung" entscheidet (siehe Rdn 58 f., § 47 Rdn 9 ff.). Ein ungewöhnlicher Fälligkeitstatbestand wie etwa die Beendigung der Beiordnung durch Tod der Partei oder das Ruhen des Verfahrens über mehr als drei Monate (§ 8, letzte Variante) kann frühzeitig zur Verjährung führen, ohne dass der Anwalt zuvor nach dem äußeren Geschehen den Eindruck hätte gewinnen müssen, nunmehr sei es höchste Zeit, die Vergütung zu beantragen (§ 55). Allerdings wird durch die neu eingeführte Hemmung der Verjährung gem. § 8 Abs. 2 der Beginn der Verjährungsfrist nach Fälligkeit infolge Ruhens des Verfahrens nun um ein Jahr hinausgeschoben, wenn die Fälligkeit innerhalb der letzten drei Monate des Jahres eintritt (§ 199 Abs. 1 BGB).
Rz. 62
Ist dennoch Verjährung eingetreten, so muss der Anwalt nicht stets auch damit rechnen, dass die Einrede der Verjährung erhoben wird. Zwar kann er nicht erwarten, dass sich die Staatskasse getreu einem Ehrenkodex im Handelsrecht verhält, wonach ein redlicher Kaufmann sich auf Verjährung nicht beruft, wenn der Anspruch zweifelsfrei begründet ist. Jedoch hat das Land NRW die mit den Justizverwaltungen des Bundes und der Länder abgestimmten Regelungen über die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung (AV des JM vom 30.6.2005, JMBl NW S. 181 (5650–Z.20) i.d.F. v. 8.11.2018) in einem angehängten Teil II um die Nummern 4.1 bis 4.1.2 ergänzt, wonach von der Erhebung der Verjährungseinrede regelmäßig abgesehen werden soll, wenn der Anspruch zweifelsfrei begründet ist und die Verjährungsfrist entweder erst verhältnismäßig kurze Zeit abgelaufen oder aus verständlichen Gründen, die in einem Sachzusammenhang mit dem Erstattungsantrag stehen müssen, nicht beachtet worden ist. Diese Handhabung ist zwar nur in NRW verbindlich. Auf den zugrunde liegenden Rechtsgedanken kann sich indes auch ein beigeordneter oder bestellter Anwalt berufen, der die Bundeskasse oder eine andere Landeskasse auf e...