Peter Fölsch, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 51
Dieser Einwand kann sich bereits daraus ergeben, dass der Anwalt versucht, die Partei auf unredliche Weise zum Nachteil der Staatskasse von dem Prozesskostenrisiko freizustellen. Trägt er bewusst unrichtig vor und erreicht er nur deshalb seine Beiordnung, so steht ihm wegen Erschleichens der Anspruchsvoraussetzungen eine Vergütung nicht zu.
Beispiel: Der Anwalt rät einem wohlhabenden Mandanten, eine zweifelhafte Forderung an einen "armen Strohmann" abzutreten. Diesem wird für die beabsichtigte Klage Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung unter Beiordnung des Anwalts bewilligt, weil der Anwalt für die Abtretung einen sachlichen Grund vorgespiegelt hat. Die Klage wird abgewiesen.
Kann die Staatskasse den wahren Sachverhalt darlegen und beweisen, scheidet eine Vergütung gem. § 121 ZPO aus.
Rz. 52
Die Problematik des Anspruchsverlustes tritt ferner auf, wenn der Anwalt an einer Kostenverteilung mitwirkt, die den Gegner – im Verhältnis zum Sach- und Streitstand – übermäßig entlastet und damit vor einer Inanspruchnahme seitens der Staatskasse schützt (§ 59). Verhindert er auf diese Weise eine Deckung der Kosten, die der Staatskasse durch die gesetzliche Vergütung des Anwalts schon entstanden sind oder bei Erfüllung des Anspruchs noch entstehen würden, so kommt in Betracht, dass er seinen Anspruch in dem Umfang wieder verliert oder nicht mehr geltend machen kann, wie der Staatskasse durch die sachwidrige Kostengrundregelung eine Rückgriffsmöglichkeit genommen worden ist.
Beispiel: Die Partei erhält ratenfreie Prozesskostenhilfe für eine Erfolg versprechende Zahlungsklage über 3.000 EUR. Der anwaltlich nicht vertretene Gegner kann zu seiner Verteidigung nichts Erhebliches vorbringen. Der Anwalt bietet ihm an, die Klage zurückzunehmen, nachdem der Gegner die Klageforderung gezahlt hat. Das geschieht. Kostenantrag wird nicht gestellt.
Nach dem Sach- und Streitstand hätte der Gegner die Kosten tragen müssen. Dann wäre die Staatskasse in der Lage gewesen, ihre Zahlungen an den Anwalt vom Gegner wieder hereinzuholen. Durch die von dem Anwalt praktizierte Verfahrensweise ist sie daran gehindert.
Variante: Der beigeordnete Anwalt und der von dem Gegner bestellte Anwalt sind gebührenrechtlich versiert. Sie verhandeln zunächst streitig und schließen sodann einen Vergleich, wonach der Gegner bis auf eingeklagte Verzugszinsen alles bezahlen soll und die Kosten des Rechtsstreits vom Kläger übernommen werden, wobei der Gegner auf Kostenerstattung verzichtet.
Die vereinbarte Kostenregelung verhindert auch hier einen Rückgriff der Staatskasse wegen der an den beigeordneten Anwalt unabhängig von der Kostenverteilung zu zahlenden Vergütung, obwohl nach dem Ergebnis eine (nahezu) volle Kostentragungspflicht des Gegners angezeigt gewesen wäre (zur Besprechung dieser Beispielsfälle siehe Rdn 54).
Rz. 53
Allein eine wesentliche Abweichung der gewillkürten Kostenregelung von dem Grundgedanken des § 91 ZPO zum Nachteil der Staatskasse reicht nicht hin, dem Anwalt arglistiges Verhalten anzulasten und die Grundvergütung (teilweise) zu verweigern. Als objektives Merkmal hinzukommen muss vielmehr, dass diese Kostenverteilung auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Belange der Partei durch nichts gerechtfertigt erscheint. Der beigeordnete Anwalt hat keinerlei Vermögensinteressen des Fiskus wahrzunehmen, die denen der Partei zuwiderlaufen könnten. Auch angesichts der Beiordnung vertritt er ausschließlich die Partei und nicht etwa (daneben) auch die Staatskasse. Daher hat er deren Geschäfte ungeachtet eines etwaigen Rückgriffsanspruchs der Staatskasse gegen den Gegner so zu führen, dass die Angelegenheit für sie bestmöglich erledigt wird. Unter diesem Aspekt kann auch das Einverständnis mit einer dem Gegner besonders günstigen Kostenregelung angezeigt sein, etwa um dessen Zahlungsbereitschaft zu erhöhen oder im Passivprozess der Partei die Schuld zu erleichtern. Nur wenn sich dafür nichts aufzeigen lässt, erscheint der Rückschluss auf unlautere Motivation und auf einen Verstoß gegen die allgemeine Rechtspflicht nahe liegend, die Integrität einer jeden Person zu achten (§ 826 BGB).
Rz. 54
Einen deutlichen Hinweis auf sittenwidriges Verhalten des Anwalts könnte die hypothetische Feststellung bieten, dass eine mit den Gebührentatbeständen vertraute Partei, falls sie anstelle der Staatskasse selbst für die Anwaltskosten aufkommen müsste, mit Sicherheit (§ 286 ZPO) kostenbewusster vorgegangen wäre.
Fortsetzung des Beispiels: Danach lässt sich im vorstehenden Beispiel eine Arglist des Anwalts nicht ohne weiteres feststellen. Das Angebot, nach Zahlung die Klage zurückzunehmen, stellt einen hohen Zahlungsanreiz dar. Bestand die Befürchtung, dass der Gegner ansonsten nicht freiwillig zahlen würde, und musste eine Zwangsvollstreckung als problematisch angesehen werden, war die Prozesstaktik durchaus sachgerecht.
Fortsetzung der Variante: Bereits im Ansatz kritisch ist hingegen das Verhalten des Anwalts in der Variante. Eine ver...