Peter Fölsch, Norbert Schneider
Rz. 63
In Angelegenheiten, in denen Betragsrahmengebühren anfallen, insbesondere in sozialrechtlichen Angelegenheiten, waren in der Vergangenheit im Rahmen der Kostenfestsetzung Schwierigkeiten dadurch eingetreten, dass bei der Bemessung der billigen Gebühr nach § 14 Abs. 1 Tätigkeiten, die vor der Bewilligung der PKH angefallen waren, nicht berücksichtigt wurden. Die Rechtsprechung war uneinheitlich. Während etwa das LSG Thüringen, das LSG Nordrhein-Westfalen, das Bay. LSG, das Sächs. LSG und das SG Fulda vertreten, dass der in dem gesamten Verfahren angefallene Aufwand bei der Bestimmung der billigen Gebühr zu berücksichtigen ist, verneinten dies das Schleswig-Holsteinische LSG und das Hess. LSG. Die Neuregelung stellt nunmehr klar, dass sich die Beiordnung auf Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Beantragung der PKH erstreckt, wenn von dem Gericht nichts anderes bestimmt ist. Die Beiordnung erstreckt sich ferner auf die gesamte Tätigkeit im Verfahren über die PKH einschließlich der vorbereitenden Tätigkeit (§ 48 Abs. 4).
Rz. 64
Der Gesetzgeber hat zutreffend erkannt, dass es zu einer Lücke in der von Verfassungs wegen zu gewährenden Möglichkeit für Bedürftige kommt, einen Rechtsanwalt kostenlos in Anspruch zu nehmen, wenn die Tätigkeit im PKH-Bewilligungsverfahren nicht von der Beiordnung umfasst werde. In den Gesetzesmaterialien heißt es dazu:
Zitat
"Wird der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleichzeitig mit der Einreichung der Klage gestellt, dient die Fertigung der Klageschrift auch der Begründung des Prozesskostenhilfeantrags und ist daher bei der Bemessung der Gebühr zu berücksichtigen. Auch die Tätigkeit in dem Klageverfahren nach Stellung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bis zur Bewilligung soll grundsätzlich in die Bemessung der Gebühr einbezogen werden ... In Verfahren mit Betragsrahmengebühren ist die gesamte Tätigkeit bei der Bestimmung der konkreten Gebühr zu berücksichtigen".
Von diesem Grundsatz sind in engen Grenzen Ausnahmen zu Ungunsten des Klägers nur dann möglich, wenn er durch eigenes Verhalten für eine Einschränkung des "Bewilligungszeitraums" Anlass gegeben hat. In einem gewissen Umfang wird dabei auch hinzunehmen sein, dass mit der Klageschrift nicht gleich die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt werden oder über den PKH-Antrag erst entschieden werden kann, wenn Ausführungen zur Klagebegründung (zu den Erfolgsaussichten des Rechtsbegehrens) gemacht wurden. In solchen Regelfällen bleibt es dabei, dass sich die Beiordnung auf die gesamte Tätigkeit im PKH-Verfahren und die vorbereitenden Tätigkeiten erstreckt (§ 48 Abs. 4 S. 2).
Rz. 65
Uneinigkeit besteht in der Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Neuregelung in § 48 Abs. 4, wann das Gericht etwas "anderes bestimmt". Während ein Teil der Rechtsprechung unter Zurückweisung der abweichenden strengen Auffassung zur früheren Rechtslage zu dem Ergebnis kommt, dass allein die zeitliche Begrenzung der PKH-Bewilligung im Beschluss ("für diesen Rechtszug für die Zeit ab dem xx.xx.xxxx ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und XXX beigeordnet") nichts "anderes bestimmt", bei der Bemessung der Höhe der Verfahrensgebühr also die anwaltliche Tätigkeit zwischen der PKH-Antragstellung und dem im Beschlusstenor genannten Zeitpunkt berücksichtigt werden muss, halten andere Gerichte an ihrer bisherigen Rechtsprechung fest und möchten den "Wirkzeitraum" der Bewilligung der PKH und der Beiordnung nicht auch "auf die gesamte Tätigkeit im Verfahren über die Prozesskostenhilfe einschließlich der vorbereitenden Tätigkeit" (§ 48 Abs. 4 S. 2) erstrecken. Der Kostensenat des Hess. LSG sieht sich in der Kostenfestsetzung an die zeitliche Begrenzung der PKH-Bewilligung gebunden, ohne zu erkennen, dass § 48 Abs. 4 S. 2 die PKH-Bewilligung "ferner" auf die bis zur Bewilligung angefallenen Tätigkeiten erstreckt. Solange in der PKH-Bewilligung nicht ausdrücklich dieser Zeitraum ausgenommen wird, ist nichts anders bestimmt.
Rz. 66
Zur Vermeidung der Aufrechnung eigener Erstattungsansprüche des Jobcenters mit Kostenerstattungsansprüchen hat das Gericht trotz Kostengrundanerkenntnisses der Beklagten auch nachträglich PKH zu bewilligen. Dies ist verfassungsrechtlich geboten, um den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts zu sichern.