Rz. 1

Nach der bis zum 30.6.2008 geltenden Rechtslage war eine Vergütungsvereinbarung gemäß § 134 BGB i.V.m. § 49b Abs. 2 S. 1 BRAO nichtig, wenn sich der Anwalt ein Erfolgshonorar oder einen Anteil am erstrittenen Betrag (quota litis) versprechen ließ. Das anwaltliche Berufsrecht statuierte insoweit ein umfassendes und rigides Verbot, das grundsätzlich keine Ausnahmen zuließ (aber vgl. Rdn 11 f.). Das strikte Verbot der Vereinbarung einer spekulativen Vergütung war in den vergangenen Jahren auf massive Kritik gestoßen.[1]

 

Rz. 2

Das BVerfG hat das in § 49b Abs. 2 S. 1 BRAO normierte Totalverbot in seinem Beschl. v. 12.12.2006[2] als insoweit mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar qualifiziert, als es keine Ausnahme für den Fall zuließ, dass der Rechtsanwalt mit der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung trägt, die diesen sonst davon abhielten, seine Rechte überhaupt zu verfolgen. In diesen Ausnahmefällen erweise sich das Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare als Hindernis für den Zugang zum Recht, wenn ein Rechtsuchender aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse das Risiko, im Misserfolgsfall mit den Kosten qualifizierter anwaltlicher Unterstützung belastet zu bleiben, nicht oder zumindest nicht vollständig zu tragen vermöge, und ihn dies davon abhalte, seine Rechte überhaupt zu verfolgen. Das BVerfG hat § 49b Abs. 2 S. 1 BRAO daher als verfassungswidrig[3] erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 30.6.2008 eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen. Dabei hat es dem Gesetzgeber freigestellt, einen Ausnahmetatbestand zu einem weiterhin geltenden Verbot zu schaffen (kleine Lösung) oder das Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare völlig aufzugeben (große Lösung).

 

Rz. 3

Der Reformgesetzgeber hat sich rechtssystematisch für die von den anwaltlichen Berufsverbänden[4] empfohlene und vom Schrifttum[5] erwartete kleine Lösung entschieden. Er hält durch die Neufassung des § 49b Abs. 2 BRAO (vgl. Rdn 7) zum Schutz der Unabhängigkeit der Anwaltschaft und zum Schutz der Rechtsuchenden grundsätzlich an dem Verbot erfolgsbasierter Vergütungen fest, normiert jedoch einen Ausnahmetatbestand in § 4a.

 

Rz. 4

Abs. 1 S. 1 regelt, wann von dem nach § 49b Abs. 2 BRAO fortbestehenden Verbot der Vereinbarung eines Erfolgshonorars abgewichen werden darf. Satz 2 gestattet mit Blick auf das berufsrechtliche Gebührenunterschreitungsverbot in § 49b Abs. 1 BRAO (siehe § 3a Rdn 19 ff.) auch im gerichtlichen Verfahren die Unterschreitung der gesetzlichen Vergütung, wenn für den Erfolgsfall ein angemessener Zuschlag auf die Tarife des RVG vereinbart wird. Ein Verstoß gegen Abs. 1 führt zur Fehlerhaftigkeit der Vereinbarung (§ 4b).

 

Rz. 5

Abs. 2 zwingt die Parteien, die kalkulatorischen Grundlagen des Erfolgshonorars und die dafür geltenden Bedingungen in der Vergütungsvereinbarung schriftlich zu fixieren. Auf diese Weise soll dem Mandanten die Bedeutung der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung unter besonderer Berücksichtigung des Zuschlags im Erfolgsfall verdeutlicht werden.[6] Die Angaben gemäß Abs. 2 sind zwingend ("muss"); fehlt auch nur eine von ihnen, ist der Anwalt auch im Erfolgsfalle auf die gesetzliche Vergütung beschränkt (vgl. § 4b).

 

Rz. 6

Abs. 3 soll die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Mandant und Anwalt hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Rechtssache sowie des dafür erforderlichen Aufwandes kompensieren. Zugleich soll die Vorschrift etwaigen Beweisschwierigkeiten bei einem Streit über die vereinbarte Vergütung vorbeugen.[7] In der Vereinbarung sind daher nach Satz 1 die bestimmenden Gründe für die Bemessung des Erfolgshonorars anzugeben. Diese Aufgabe trifft regelmäßig den Anwalt. Satz 2 bestimmt ergänzend, dass der Mandant auf seine Kostentragungspflicht im Falle des Unterliegens hinzuweisen ist. Den Anwalt trifft damit eine weitere Hinweispflicht. Ein Verstoß gegen Abs. 3 begründet nach § 4b nicht die Fehlerhaftigkeit der Vereinbarung, kann aber zivilrechtliche Schadensersatzansprüche auslösen (siehe Rdn 48 ff.).

[1] Vgl. nur Braun, Preiswerbung, in FS Madert, 2006, S. 43, 48 ff.; Gerold/Schmidt/Mayer, § 4a Rn 1; Madert, AGS 2005, 243; ders., AGS 2005, 536, 537; Büttner in: FS Busse, S. 33, 42 ff.; Gieseler, JR 2005, 221; Undritz, AnwBl 1996, 113 ff.; Kleine-Cosack, NJW 1988, 164, 172; ders., BRAO, § 49b Rn 17; differenzierend Pohl, BerlAnwBl 2005, 102. Eingehend – und zugleich rechtsvergleichend – Kilian, Der Erfolg und die Vergütung des Rechtsanwalts, 2003, S. 1 ff.; ders., ZRP 2003, 90 ff.
[2] BVerfG 12.12.2006 – 1 BvR 2576/04, AGS 2007, 168 m. Anm. Schons = RVGreport 2007, 179 (Hansens) = NJW 2007, 979 m. Anm. Johnigk. Dazu Kleine-Cosack, NJW 2007, 1405 ff.; Grunewald, AnwBl 2007, 469 ff.
[3] Die jüngere zivil- und berufsrechtliche Judikatur war zuvor anderer Ansicht, vgl. nur OLG Celle AGS 2005, 243 = NJW-Spezial 2005, 239; BayAGH BRAK-Mitt 2005, 198. Ebenso die überwiegende berufsrechtliche Literatur, vgl. Henssler/Prütting-Dit...

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